„Die Teilbebauung der Pferderennbahn ist richtig“

Die Fraktionsvorsitzende der Kölner Grünen, Barbara Moritz, über geheime Absprachen mit der CDU, die Mühen der Stadtentwicklung, politische „Altlasten“ aus den Zeiten von Clement und Ruschmeier und ihre Träume von einer schöneren Rheinpromenade zwischen Hauptbahnhof und Zoo

taz: Frau Moritz, seit Anfang 2003 macht die schwarz-grüne Koalition Stadtentwicklungspolitik. Sichtbar verändert hat sich aber kaum etwas, oder?

Barbara Moritz: Das geht in der Stadtentwicklung nicht so schnell. Wir brauchen zunächst eine konzeptionellere Stadtentwicklung. Wir müssen weg von der Briefmarkenplanung und in größeren Zusammenhängen planen. Darüber müssen wir einen Konsens mit der Stadtverwaltung herstellen. Die Tendenz ist positiv. Zum Beispiel hat Stadtentwicklungsdezernent Streitberger binnen kürzester Zeit ein Hochhauskonzept vorgelegt, wie wir Grünen es schon seit Jahren verlangt hatten.

Eine sichtbare Briefmarke aus Ihrer Zeit als Koalitionspartnerin der CDU, die nicht gut ankam, ist das LVR-Hochhaus. Warum haben Sie zugestimmt?

Wir hatten von Anfang an gewarnt, dass die Unesco den Dom auf die Rote Liste setzen könnte. In dem Zusammenhang ist es natürlich pikant, dass wir dem LVR-Turm zugestimmt haben. Wir hatten zwar beim Abschluss des Koalitionsvertrages mit dem CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann eine mündliche Vereinbarung darüber, dass der LVR-Turm eher nicht genehmigt werden sollte. Doch sein Nachfolger Karl Jürgen Klipper fühlte sich an diese Vereinbarung nicht mehr gebunden. Wir haben zu dem Zeitpunkt natürlich darüber diskutiert, aus der Koalition auszusteigen. Das Hochhaus wäre aber trotzdem gebaut worden. Wir hatten durch die breite Zustimmung aller anderen Parteien keine Drohkulisse, die wir gegen die CDU hätten aufbauen können. Deshalb hat die Fraktion gesagt: Das lohnt sich nicht. Wir haben im Gegenzug aber das Dialogverfahren zur Teilbebauung der Rennbahn in Weidenpesch durchgesetzt. Es stellt sich jetzt übrigens heraus, dass die Teilbebauung richtig ist.

Wie bitte?

Ja, der Rennverein braucht die Teilbebauung, weil er sonst pleite geht. Ginge er pleite, fiele das Gelände an das Land NRW – und das würde ganz sicher bauen oder das Land verkaufen.

Trotz des Landschafts- und Denkmalschutzes, der auf Gelände und Gebäuden liegt?

Auch Landschafts- oder Denkmalschutz sind eine Frage der Abwägung. Das Land sieht in einer Vollblutzucht sicherlich keine öffentliche Aufgabe. Ebenso wenig wäre es bereit, für Köln einen 55-Hektar-Park vorzuhalten. Dann sagt das Land, wir verkaufen das Gelände an die Stadt. Nur: Allein die Pflege des Parks kostet pro Jahr 1,2 Millionen Euro. Das kann die Stadt nicht bezahlen. Dann der Druck der Banken. Wir hätten die 5 Millionen Euro Schulden des Vereins an der Backe. Die Existenz des Rennvereins ist also die beste Garantie für den Bestand der Grünanlage.

Bei der Rennbahnbebauung gibt es wieder mal keinen Wettbewerb. Ist das nicht ein kölsches Syndrom: Bei wichtigen städtebaulichen Aufgaben wie zum Beispiel bei der Messe gerät man unter zeitlichen oder finanziellen Druck. Dann werden schnell die Aufträge vergeben. So kann doch keine hochwertige Architektur entstehen.

Da gebe ich Ihnen recht.

Und wenn es dann mal einen Wettbewerb gibt, wie bei den Nippeser Clouth-Werken, wird nichts Vernünftiges gepreist.

Bei den Clouth-Werken war das Votum im Preisgericht nicht einstimmig. Es schmeichelt mir ja, wenn Sie mir zutrauen, die Frage von qualitativ hochwertiger Architektur in der Stadt allein zu regeln. Die Entscheidung liegt aber beim gesamten Preisgericht. Dann liegt sie beim Rat. Der ist übrigens nicht daran gebunden, den ersten Gewinner zu beauftragen. In beiden Gremien entscheidet die Mehrheit.

Was könnte das Verfahren verbessern?

Wettbewerbe kosten die Stadt Geld. Aber sie sind sie notwendig. Bei privaten Bauherren haben wir häufiger Mehrfachbeauftragungen, obwohl die nicht dazu gezwungen werden können. Das sind kleine Verbesserungen.

Das nächste Loch im Stadtbild droht bei der Messe. Die Häuser des Erbbauvereins werden abgerissen, obwohl Investoren noch nicht in Sicht sind. Der Esch-Oppenheim-Fonds baut die neuen Messehallen ohne Ausschreibung. Warum machen Sie da mit?

Sie glauben doch nicht, dass wir in einer so kurzen Zeit Entwicklungen ändern können, die noch auf die Zeit zurück gehen, als Wolfgang Clement NRW-Ministerpräsident war und Lothar Ruschmeier Oberstadtdirektor. Der Umzug von RTL in die Rheinhallen der Messe war ein kompliziertes Kompensationsgeschäft zwischen der Stadt, der Stadtsparkasse und dem Esch-Oppenheim-Fonds. Der Ausstieg aus diesen ganzen „Altlasten“ ist doch außerordentlich schwierig.

Sie sagen immer, das sei alles vor Ihrer Zeit angezettelt worden. Aber wo bleiben die Gegenentwürfe?

Wir können nur versuchen, die Diskussion über eine neue Stadtentwicklungskultur in Köln anzustoßen. So haben wir Grüne ein Symposium zur Neugestaltung des Rheinufers gemacht. Konsens ist, dass es einen offenen Rheinboulevard auf der Deutzer Seite geben soll. Der Boulevard soll im Rahmen der „Regionale“ entwickelt werden. Das ist mit dem Stadtentwicklungsdezernat so vereinbart. Wir müssen Ideen anstoßen und der Verwaltung sagen, in welche Richtung sie arbeiten soll. Wenn etwa das Rheinufer als öffentlicher Raum erhalten bleiben soll, müssen wir dafür nach der Wahl ein schlüssiges Konzept entwickeln. Erste Ansätze gibt es schon. Wir möchten gerne das Lufthansa-Hochhaus überplanen. Dafür müsste dem Eigentümer natürlich ein Gegenwert angeboten werden. Aber an der Stelle kann das Ufer einen schöneren und städtebaulich interessanteren Akzent bekommen.

Welche Lieblingsprojekte würden Sie sofort verwirklichen, wenn Sie nach der Wahl die Möglichkeit dazu hätten?

Zuerst würde ich das linke Rheinufer zwischen Bastei und Bahnhof neu gestalten. Da müssen die Parkplätze weg und die betonierten Hochbeete. Dort könnte man die Bastei als Gastronomie reaktivieren, Hausboote als Cafés anlegen lassen. Dieses Ufer könnte als Weg zwischen Bahnhof und Zoo attraktiv sein, aber es wird von der Stadt bis heute stiefmütterlich behandelt.

Interview: Cord Machens
und Sebastian Sedlmayr