Polnische Patienten

Die bizarre DokuSoap „babilon.pl“ zeigt den Polen, wie sich ihre Armee an der Seite der USA im Irak durchschlägt – und dient der Meinungsbildung

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Es ist der erste Militäreinsatz der polnischen Armee seit dem Einmarsch in Prag an der Seite sowjetischer Truppen 1968. Es ist wie eine Sucht. Palmen, schöne Frauen und galante polnische Soldaten. „Salam Aleikum“, grüßen die Polen in Kampfanzügen und Sonnenbrillen. Die Iraker antworten: „Bolanda good“ – „Polen gut“. Jeden Mittwoch und Sonntag schalten rund zwei Millionen Polen die Doku-Soap „babilon.pl“ ein. In den Nachrichten: Zwei Polen im Irak erschossen, einer entführt, ein anderer kämpft mit Verbrennungen dritten Grades ums Überleben.

Mit „babilon.pl“ will das öffentlich-rechtliche Fernsehen Polens den Alltag der rund 2.500 nach Babylon und Kerbala entsandten polnischen Soldaten zeigen. Doch die Bilder sind alt. Sie wurden in den ersten Monaten der Besatzung gedreht, von September 2003 bis Januar 2004. Mit der Realität von heute hat die zwölfteilige Dokumentationsserie kaum noch etwas zu tun. Vor zehn Monaten fuhren die polnischen Soldaten in den Irak, um den Irakern Frieden und Demokratie zu bringen.

Eigens für die Serie wurde der eingängige Titelsong komponiert: ein Western-Blues, dessen Mundharmonika-Klänge Assoziationen an Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ wecken, zugleich aber vermitteln: „So ernst ist das hier im Irak gar nicht.“ Mit rauchig-kratziger Stimme singt Polens berühmter Barde Slawek Wierzcholski:

„Verdammt heiß hier in Babylon, Skorpione, wohin man tritt. Ali Baba lauert an der Ecke, doch das alles macht uns nichts aus. Baabylon, Baaabylon. So ist das bei uns in Babylon. Polens Armee ist gekommen, um Ordnung zu schaffen – in Babylon. Schrecklich weit weg ist dieses Babylon.“

Zu diesem Eingangstrailer räkeln sich sonnengebräunte Männer am Pool vor einem ehemaligen Saddam-Palast, ein Militärhubschrauber dreht seine Runden, und auf der Straße üben irakische Soldaten in neuen schmucken Uniformen das Marschieren im Gleichschritt.

Oberst Adam Mazgula, der zu den „Helden der ersten Stunde“ zählt, ist längst wieder zu Hause. Im Irak hat er Minen entschärft. Jetzt sitzt er mit Frau und Tochter vorm Fernseher, kommentiert die Filmaufnahmen, in denen er selbst zu sehen ist. „Es ist gut, dass der Film auch einmal unseren Alltag zeigt“, sagt er. „Dass wir dort aufbauen wollen! Wir sind doch nicht als Besatzer da. Was sonst immer im Fernsehen gezeigt wird, ist doch die Unwahrheit. Wir versuchen zu helfen und nicht die Iraker rumzukommandieren wie die Amerikaner. Und dafür mögen sie uns. ‚Polen gut‘, haben sie immer gesagt. Wir waren willkommen.“ Seine Frau ist skeptischer: „Das ist nicht unser Krieg“, entgegnet sie ruhig und wendet sich den Besuchern zu: „Am schwersten war für mich zu akzeptieren, dass mein Mann etwas tat, was die Gesellschaft ablehnte. Wir Polen waren doch gegen den Krieg! Aber als ich einen Berufssoldaten heiratete, war mir ja klar, worauf ich mich einlasse.“

Auch Sergeant Marian Metlewicz sieht sich die Serie zusammen mit seiner Frau an. Polnische Soldaten kleben Fahndungsplakate, verfolgen Benzinschmuggler, fragen einen Iraker „Ali Baba?“ und stürmen weiter. Metlewicz schüttelt immer wieder den Kopf: „So gefahrlose Einsätze hat es nie gegeben und wird es da nie geben. Das ist doch schon lange keine Friedensmission mehr. Inzwischen sind wir genauso zur Zielscheibe geworden wie die Amerikaner.“

Dass ein Soldat das so offen sagt, ist neu in Polen. Aber die bislang nur verhaltene Kritik an der Regierung ist in offenen Unmut umgeschlagen, seit immer mehr Polen im Irak sterben und die amerikanischen Foltermethoden bekannt wurden. Neuesten Umfragen zufolge bezeichnen sich inzwischen 74 Prozent der Bevölkerung als entschiedene Gegner des Irakkrieges.

Selbst die sonst so patriotischen Boulevardblätter titeln seit Wochen: „Holt unsere Jungs nach Hause“. Für Mariusz Ziomecki, den Chefredakteur des Superexpress, ist klar: „Wir bauen im Irak nichts auf, und wir stabilisieren dort auch nichts. Wir sollten uns zurückziehen, solange wir noch dies noch können.“