Die Belebung der Ödnis

Was Bremen mit der Überseestadt noch plant, macht Hamburg schon vor: mit der „HafenCity“ soll ein neuer Stadtteil entstehen, wo sonst „graue Flecken“ waren. Die wichtigste Zutat zum Erfolg: Zeit

„Wie spezifisch definiere ich heute, was in 15 Jahren passiert?“

Bremen taz ■ Aus Oslo, Lyon und Tansania waren sie schon da, um zu beschauen, was Franz-Josef Höing „noch graue Flecken in der mentalen Topographie“ nennt: Die Hamburger HafenCity zieht jetzt schon die Fachleute und Touristen an, obwohl von dem neuen Stadtteil noch wenig zu sehen ist und obwohl die meisten Hamburger mit dem Gebiet mitten in ihrer Stadt noch die übliche Hafenödnis verbinden. Franz-Josef Höing gehört zum Planungsstab für das neue Quartier an der Elbe und war gestern in Bremen, um auf Einladung der Grünen ausdrücklich „keine guten Ratschläge“ zu geben, dafür aber vom Hamburger Projekt zu berichten.

Denn Bremen plant schließlich Ähnliches. Mit der „Überseestadt“ soll die staubige Langeweile in den Hafenrevieren zu einem lebendigen Quartier aus Wohnen und Arbeiten werden, ein „Masterplan“ für 300 Hektar Fläche steht, und mit der Kunsthochschule im Speicher XI sei nun „ein wichtiges Signal“ gesetzt, dass die Verlebendigung beginne, so die Grüne Karin Krusche.

In Hamburg geht es um 150 Hektar, davon ein Drittel Wasser. „Wir erweitern die Hamburger Innenstadt um rund 40 Prozent“, so Höing und spricht von „Entwicklungszeiten von 20, 25 Jahren“. Was ein klassischer Komplex von Stadtplanung sei: „Wie spezifisch definiere ich heute, was in 15 Jahren passiert?“ Höing und seine Kollegen begreifen deshalb ihre Aufgabe darin, „Korridore aufzumachen“, den Rahmen abzustecken, in dem sich eine nur im Groben definierte „Nutzungsmischung“ – das Miteinander von Wohnen und Arbeiten – entwickeln kann. So schreibt deshalb der Bebauungsplan fest, dass auch in den jetzt als Wohnvierteln festgelegten Bereichen die Raumhöhe der Erdgeschosse fünf Meter betragen muss – damit hier jederzeit auch Gewerbe eine Chance hat. Wie sich die Details entwickeln, liegt schluss–endlich an den Investoren, „die heutzutage oft sehr spezialisiert sind“, so der Fachmann aus Hamburg. Aber es gibt sie. Und sie lassen sich laut Höing auf die städtischen Vorgaben ein. Er nennt das riesige Areal einen „städtebaulichen Setzkasten“, der vor allem eines brauche: Zeit. „Konjunkturelle Dellen werden uns nicht verschonen“, weiß der Stadtplaner, die gelte es auszuhalten. Außerdem empfiehlt er eine festgelegte „Verfahrenskultur“, die in Hamburg so aussieht, per Gutachten oder Wettbewerb nur die qualitativ besten Pläne Realität werden zu lassen.

Was in Hamburg vor der Tür der Innenstadt liegt, muss in Bremen erst erschlossen werden, auch gegen den Willen der Anwohner (siehe taz von gestern). Die Überseestadt könne nur ein Erfolg werden, so Karin Krusche, „wenn die Stadt sich darauf konzentriert.“ Denn: „Alles geht nicht.“ So macht es nach Meinung der Grünen keinen Sinn, den Technologiepark in die Uni-Wildnis oder gar ins Hollerland auszudehnen, wenn der Wille zur Verstädterung der Hafenreviere ernst gemeint sei.

Susanne Gieffers