Kein Warlord unter dieser Nummer

Auch geeint bleibt der Kongo geteilt. Die Zusammenlegung der Warlord-Gebiete ist schwierig, neue Kämpfe sind nicht auszuschließen. Aber die Mobilfunktechnologie hilft, Grenzen zu überwinden – und Loyalitäten zu unterstreichen

aus Goma DOMINIC JOHNSON

Im Kongo ist schon wieder Krieg ausgebrochen. Die eine Seite kämpft in Blau, die andere in Orange. Ganze Häuserfronten in der einstigen ostkongolesischen Rebellenhauptstadt Goma werden in der Farbe des jeweiligen Herrschers gestrichen. Aber heute sind die Kriegsparteien keine Armeen und Milizen – es sind Telefongesellschaften.

Mobilfunkfirmen aus der Hauptstadt Kinshasa kämpfen mit allen Mitteln um Kunden im Ostkongo, seit das Land im Juli offiziell wiedervereinigt wurde und die bisherigen Rebellen aus dem Osten jetzt in der Hauptstadt mitregieren. Im zentralen Bankgebäude von Goma, das früher Ministerien der Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) beherbergte, residiert jetzt der Mobilfunkanbieter Vodacom. Das offiziöse Dunkelblau der Filiale des globalen Mobilfunkgiganten Vodafone rivalisiert im Straßenbild der 500.000 Einwohner zählenden Stadt unter dem Vulkan mit dem volksnahen knalligen Orange des Marktführers Celtel, Filiale der niederländischen MSI-Cellular; sie hat unter anderem die Mauern des Sportstadions in Beschlag genommen. Dazu kommt noch das ruandische Mobilfunknetz von MTN-Rwandacell, das zu Kriegszeiten eine Monopolstellung im Ostkongo innehatte, sowie sein kongolesischer Ableger Supercell. Sie alle werben sich gegenseitig in den Ruin: Die einen bieten hohe Einsteigerrabbatte, die anderen ganz Ostafrika zum Ortstarif.

Die Wahl des Anbieters ist eine politische Frage. Wer nur eine ruandische Nummer hat, ist im Kongo von heute ein Verlierer. Wer schon immer gegen Ruanda und die RCD-Rebellen kämpfte, ist auf Celtel oder Vodacom umgestiegen. Wer in alle Richtungen gut vernetzt sein will, behält die alten Nummern und besorgt sich neue dazu. Dann muss man zwar mehrere Telefone mit sich herumtragen, aber auch das ist ein Statussymbol: Wichtigtuerisch breitet der Gesprächspartner drei Handys vor sich aus – und dann, wenn es klingelt, kramt er umständlich ein viertes aus der Jackentasche.

„Es kommen immer mehr Unternehmer aus Kinshasa“, sagt ein kongolesischer Geschäftsmann in Goma, zu Kriegszeiten eine Größe im Geschäft mit dem Handy-Rohstoff Coltan. „Kinshasa ist eine dreckige Millionenstadt, wo es nichts zu essen gibt. Hier ist das Klima besser, es gibt Nahrungsmittel, und man kann bessere Geschäfte machen.“ Inder, Südafrikaner und Nigerianer kommen und hoffen, dass Kongos neuer Frieden dem informellen Handel der Region den Ruch der Illegalität nimmt.

Dass die neue Allparteienregierung des Kongo die Wiederherstellung des freien Waren- und Personenverkehrs im ganzen Land nach fünf Jahren Teilung beschlossen hat, kurbelt die Wirtschaft an. Allerdings bleibt die Reise- und Handelsfreiheit begrenzt. Der Wechselkurs des kongolesischen Franc ist im Ostkongo günstiger als in der Westhälfte, und um diesen Vorteil zu wahren, akzeptieren die Händler im Osten weiterhin keine großen Geldscheine. Und es gibt zwar immer mehr Flugverbindungen zwischen den beiden Landeshälften – aber die Kontrollen an den Flughäfen sind schärfer als zu Friedenszeiten.

Jede der bisherigen Kriegsparteien ist in Kongos Regierung vertreten, aber keine will ihre regionale Basis verlieren. „Bisher gibt es lediglich die Hoffnung, dass sich die Dinge verbessern werden“, sagt ein Kirchenführer in Goma. „Die bisherigen Feinde haben von fünf Jahren Chaos profitiert und hätten gerne, dass das Chaos weitergeht.“

Nach wie vor üben die bisherigen Bürgerkriegsarmeen uneingeschränkte Kontrolle über ihre jeweiligen Herrschaftsgebiete aus. Nachdem die RCD-Rebellenführung aus Goma nach Kinshasa gezogen ist, herrscht in der Provinz Nord-Kivu, deren Hauptstadt Goma ist, der lokale RCD-Gouverneur Eugène Serufuli – samt seiner 40.000 Mann starken Miliz „Local Defence“, der immer wieder Übergriffe nachgesagt werden. Was mit ihr passiert, wenn Kongos Armeen wie geplant in eine geeinte nationale Streitmacht zusammengelegt werden, weiß niemand.

Daher fürchten viele, dass die diversen Warlords im Ostkongo weiterhin autonom agieren werden. Kongos größte Menschenrechtsorganisation „Asadho“ berichtete kürzlich von „massiven Zwangsrekrutierungen“ und „erheblichen Waffenlieferungen“ an unterschiedliche Kriegsfraktionen im Ostkongo und warnte vor einer „Wiederaufnahme von Kämpfen in großem Stil“.

Lokale Gegner der RCD sprechen bereits vom nächsten Krieg: dann nämlich, wenn die RCD-Soldaten Teil der offiziellen kongolesischen Streitkräfte sind. „Wir unterstützen diese Regierung nicht, weil wir darin keine Vorteile sehen“, sagt Valérien Kenda Kenda, Koordinator der Zivilgesellschaft von Nord-Kivu und mehrfach von der RCD inhaftiert. „Wir steuern jetzt auf den dritten Kongokrieg zu.“ Der Wortführer der Radikalen hat selbstverständlich eine Handy-Nummer von Celtel.