Blick aus dem Nachtzug

Alles fließt – langsam: „Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc.“ klingen, als wären sie aus der Zeit gefallen

Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc. sind keine alltägliche Band – es sei denn, der Alltag wäre ein Alptraum in fahlem Neonlicht, eine menschenleere U-Bahn-Station oder ein nächtliches, einsames Hochhaus.

Diese Band spielt Jazz von morbider Sorte: Schneller, immer schneller holpert das Schlagzeug, immer schneller dreht sich die Musik, immer tiefer in die Nacht hinein. Zwischen freier Jazzimprovisation und den rhythmischen Breakbeats moderner Elektronik bewegt sich das Quartett aus Dresden: ein Kontrabassist, ein Keyboarder, ein Schlagzeuger und ein DJ.

Das ist immer noch ungewöhnlich: Die Band kommt ganz ohne Sprache aus. Dann und wann lässt der Mann hinter den Plattenspielern einige Sprachfetzen in die Musik einfließen, doch mehr ist nicht nötig. Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc. haben keine Botschaft. Sie verlassen sich ganz auf den Herzschlag ihrer Musik. Vorsichtig umspielt der Kontrabass die Schlagzeugschläge – Orgel und Vibraphon klingen genauso gespenstisch. Düsteres in Moll perlt von den Tasten, mal ganz leise hingetupft, dann drohend, grollend und raumgreifender. Auch wenn die Störgeräusche und HipHop-Beats die Musik der Gegenwart zitieren – meistens klingen Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc. ganz aus der Zeit gefallen.

Ihr elektronischer Barjazz würde eine packende Begleitmusik für Blicke aus einem Nachtzug abgeben – oder für eine einsame Fahrt auf der Autobahn. Manchmal erinnert diese Stummfilmmusik auch an Geistesverwandte wie Bohren & Der Club Of Gore. Alles fließt. Langsam. Und die Musik zieht einen immer dichter an sich heran. In der Weltbühne stellen Tijuana Mon Amour Broadcasting Inc. ihr neues Album vor. Marc Peschke

Heute, 22 Uhr, Weltbühne