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Die Naschware und das Insiderwissen

Zitate sind nicht zuletzt eine gute Verkaufstechnik: Das Festival Recycling_Sampling_Jamming in der Akademie der Künste historisierte das Sampling und sah die Transformation von Altem in Neues entspannt

Remixen und Sampeln als Kulturtechniken sind inzwischen so allgegenwärtig, dass es fast schon verwundert, diese Verfahren überhaupt noch einmal diskutieren zu wollen. Das dreitägige Festival Recycling_Sampling_Jamming, das am Wochenende in der Akademie der Künste im Hanseatenweg stattfand, hatte dennoch Selbiges im Sinn. In Vorträgen und Diskussionen sollte herausgearbeitet werden, wie sehr wir denn wirklich in einer Gesellschaft des Zitate leben, in der das Neue eigentlich immer auch ein Verweis auf das Alte ist.

Der Anspruch des Festivals war es nicht, möglichst steile Thesen zum Thema zu erörtern, sondern eher Grundlagenforschung zu betreiben. Dazu wurde das Feld der Untersuchungen extrem weit gesteckt. Recycling als Methode in der Musik etwa wurde nicht bloß auf Pop bezogen, wo sie dank der Inflation des Remixens und des Samplings sowieso allgegenwärtig ist.

Der Geist von Duchamp

Sondern man konnte an einer sogenannten „Hörbar“ anhand von Musikbeispielen nachvollziehen, wie auch in der Neuen Musik des 20. Jahrhunderts, in der Musique concrète beispielsweise, sich bereits die kreative Aneignung fremden Materials immer mehr verselbständigte.

Durch die Historisierung von Sampling – im Zusammenhang mit der Kunst fiel dazu immer wieder der Name Marcel Duchamp – wurde insgesamt noch einmal der Wahrnehmung entgegengearbeitet, das Zitieren sei vor allem ein Phänomen unserer Zeit. Neues, das wurde erneut klargemacht, baut in der Kultur schon immer auf Altem auf.

Dabei sind es nicht nur Kunst und Kultur, wo bereits Vorhandenes in immer wieder neue Zusammenhänge gestellt wird. Auch die Werbung funktioniert längst über Wiedererkennung, wie der Werbeexperte Marc Schwieger darlegte. Kaufanreize sollen demnach dadurch erzeugt werden, dass immer wieder neu an positive Gefühle appelliert wird, die wir etwa mit dem Kaffeegenuss am Morgen oder dem entspannten Autofahren auf der leeren Landstraße verbinden. Das Zitat ist es, das hier bei uns nostalgisches Empfinden hervorbringt. Dazu passt auch die Anmerkung aus dem Publikum nach einem Vortrag des Kulturwissenschaftlers Jochen Bonz über Sampling in der Popmusik: Vor Kurzem, wusste der Zuhörer, sei ein Stück der eher in Insiderkreisen bekannten Hip-Hop-Gruppe Mantronix in einem Werbejingle für eine Naschware wiederaufgetaucht. Die Frage wurde gestellt, ob dies nun ein nicht hinnehmbares Vergreifen an einer integren Band für den billigen Zweck sei, Süßigkeitenramsch aufzuwerten. Diese Anmerkung brachte auch nochmals das leichte Unbehagen auf den Punkt, das immer wieder im Zusammenhang mit dem inflationären Gebrauch von Recycling und Sampling auf dem Kongress geäußert wurde.

Die Künstlerin Christina Kubisch stellte bei der Abschlussdiskussion dann auch noch einmal in den Raum, dass es dringender denn je geboten sei, auch in ihrem Tätigkeitsbereich, der Arbeit mit Klangkunst, den Sinn eines bestimmten Zitats an einer bestimmten Stelle zu hinterfragen, um der totalen Beliebigkeit des Verweises als Kulturtechnik entgegenzuarbeiten. Nur weil es technisch dank der Digitalisierung so leicht sei, ein schier grenzenloses Archiv als kulturelles Gedächtnis für die Kunstproduktion anzuzapfen, führe das noch lange nicht auch im ästhetischen Sinne zu stimmigen Ergebnissen.

Das Unbehagen am Zitat – das immerhin wurde in diesem Kongress ein klein wenig geschärft.

ANDREAS HARTMANN

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