Fest im pfannkuchengriff

Bei „Ultimate“ kämpfen zwei teams um eine runde scheibe – ganz ohne schiedsrichter. Wenige kennen den sport. Auf den rheinwiesen in Düsseldorf kann man ihn kennen lernen

Nur eine halbe stunde die wurftechniken üben, und schon kann‘s los gehen

AUS DÜSSELDORFCHRISTIAN VATTER

„Erst wenn ein schiedsrichter dabei ist, gibt es fouls“, sagt Matthias Brucklacher. Der 40-jährige spielt schon seit 1989 bei der „Frisbee-Family“ auf den Düsseldorfer rheinwiesen. Weder im training noch bei wettkämpfen gibt es einen unparteiischen – die spieler entscheiden selbst. Und es funktioniert. Das nennen sie den „spirit of the game“. Bei wettkämpfen gibt es nicht nur eine sieger-mannschaft nach punkten, sondern auch immer eine, die für ihr faires spiel belohnt wird. „Man kennt sich in der szene“, erzählt Brucklacher, „wenn jemand gerne foult, spricht sich das herum.“

Gibt es dennoch eine unklare situation, müssen sich die kontrahenten in 30 sekunden einigen. Klappt das auch nicht, wird der wurf wiederholt. Wer jetzt denkt, bei Ultimate werde nicht gekämpft, liegt falsch: In einem dynamischen spiel versuchen zwei teams zu je sieben personen gegeneinander zu punkten. Die frisbeescheibe flitzt 90 minuten lang über das spielfeld, und die spieler auch. Das spielfeld ist lang wie ein fußballfeld und halb so breit. Ähnlich wie beim football gibt es auf jeder seite eine „endzone“. Fängt ein spieler in der gegnerischen endzone die scheibe, macht er für sein team einen punkt.

Die rennerei geht freilich an die substanz: Insbesondere abends, wenn die rheinwiesen im august ganz schön aufgeheizt sind. Im spiel sieht man der „family“ die anstrengung aber nicht an. Jeder will sich freilaufen und sich dem mitspieler anbieten, der die scheibe im besitz hat. Bei 33 grad im schatten färbt der schweiß die shirts dunkel. „Ausdauer muss man mitbringen, sonst macht das ganze keinen spaß“, sagt Ralf Gatzke, der seit 1995 in der family ist. Ansonsten sei es aber einfach, in die sportart einzusteigen. „Eine halbe stunde die wurftechniken üben, und schon kann‘s los gehen.“ Mit einer besonderheit: Wer bei Ultimate die scheibe fängt, darf nicht weiterlaufen – ein fuß muss auf dem boden bleiben, der andere darf in sternform bewegt werden. Sofort kommt ein gegenspieler und fuchtelt mit den armen, um den kontrahenten an einem guten wurf zu hindern. Da kommt‘s auf das handgelenk an. Keiner rollt bei Ultimate in aller seelenruhe den arm nach innen, um ihn dann erst mit der scheibe nach vorne schnellen zu lassen. In zehn sekunden muss man sich entschieden haben, wie man am Gegner vorbei wirft.

Manchmal jagen sie die frisbee auch über die köpfe der anderen: Das sind so genannte „knives“. Die scheibe hat dabei eine große wucht. „Meistens fangen wir deshalb mit dem pancakegriff“, sagt Gatzke und macht es vor: Beide hände hält er parallel übereinander. Die scheibe muss dazwischen fliegen, dann klatscht man in die hände. Ultimate-spieler wollen sicher gehen, dass sie die scheibe auch zu fassen kriegen.

Ultimate kommt aus den USA. Als in den 1970er jahren menschen in einer großbäckerei entdeckten, dass alu-kuchenteller umgedreht gut fliegen, war die frisbee geboren. „Es dauerte nur zwei, drei jahre“, erläutert Gatzke, „da gab es das ganze auch als mannschaftssport.“ Und Brucklacher fügt hinzu: „Ultimate ist eine college-sportart.“ Auch in deutschland würden es die meisten leute erst an der uni entdecken. Bei deutschen meisterschaften treten daher sowohl uni-teams als auch freie formationen wie die frisbee-family an. Insgesamt 47 gruppen sind beim deutschen frisbee-sportverband registriert. Nur fünf davon in Nordrhein-Westfalen.

Zum training auf den rheinwiesen kommen auch Düsseldorfer studenten: Im anschluss ans uni-training machen sie abends noch bei der frisbee-family mit. So auch Michael Engels. Er ist über seine freundin zu Ultimate gekommen. „Die hat mich vor drei jahren mitgeschleppt“, sagt er verschmitzt, „als wir die einzigen waren, die im kurs übrig blieben, haben wir den kurs als trainer übernommen.“ Im nächsten semester sei es dann wieder voll geworden. Viele aus dieser zeit sind jetzt regelmäßig bei der family. Und nicht nur einzelkämpfer. Nicolai Willinek und Annika Ritz sind eines der paare, die mittrainieren. Ultimate spielt man nämlich mixed – also frauen und männer zusammen. „Das gefällt mir am besten daran“, sagt Ritz und sieht ihren freund an, über den sie zur family gekommen ist.

Der „spirit of the game“ macht Ultimate auch als schulsport interessant. Wer früh lernt, selbst verantwortung für ein faires spiel zu übernehmen, wird auch in anderen sportarten mehr darauf achten. „Einer von uns ist in Kiel lehrer geworden“, erzählt Gatzke, „er hat dort jetzt die erste schülermannschaft gegründet.“ Gatzke wünscht sich nachahmer: „Diese altersstufe existiert bisher leider so gut wie gar nicht im Ultimate.“

www.frisbee-family.de