Von der mentalität her

Der „eifrige Franzose“ der NDR-show „extra 3“ schaut dem volk aufs maul – und zeigt, was aus den mäulern so alles an vorurteilen entschlüpft. Alfons ist ein großer interviewer und ein gesamtkunstwerk: großes wort – kleine erfolge

Eines sollte man wissen, wenn man Alfons begegnet: Dieser mann ist satirisch ernst zu nehmen.

Um den Deutschen zu zeigen, wer sie sind, ist Alfons seit drei jahren mit fellig umpuscheltem mikro in Hamburgs innenstadt unterwegs. Oder er steht auf der bühne, wie zuletzt in Bremen. Wer ihn nicht aus der NDR-politsatiresendung extra 3 kennt, könnte den schludrig wirkenden trainingsjackenträger leicht für einen autisten halten, der für ein paar minuten seiner betreuten wohngruppe entwischt ist. Und nun interviews führt. Seine spezialität.

Entsprechend irritiert geben sich die von ihm angesprochenen paare, passanten dann auch vom phänomen Alfons. Sie können ja nicht ahnen, dass ihnen so etwas wie ein gesamtkunstwerk gegenübersteht.

Das stellt mit französischster diskretion jungen frauen fragen – wie diese: „Wenn im krieg ein soldat macht weiblische gèfangene, wer darf zuerst sie vergewaltigèn? Er – oder der offizier de la troupe?“ „Natürlich keiner“ wird geantwortet. „Ja, aber wenn doch.“ „Ja, dann der offizier.“ „Sischer? Ist das gerescht?“ „Ja, er ist der offizier. Der andere danach.“

Oft reicht ein stichwort wie „zahnersatz“ – und weder kanzler noch abschiebehäftling werden von den harschen schuldzuweisungen unbescholtener bürger verschont.

Alfons vereint Till Eulenspiegel mit postmoderner tristesse: schonungslos präsentiert er die menschen der straße als stars seiner shows, legt tief verwurzelte vorurteile bloß, gießt öl ins feuer. was letztendlich subversiven kampf bedeutet. Das medium umfrage wird dabei zur kunstform. Alfons selbst gibt den spiegel des alltäglichen wahnsinns – also den melancholiker.

Kein wunder, dass Alfons nur eine kunstfigur ist. Der franzose lebt schon lange in deutschland, und sein akzent für die umfragen ist bien cultivé. Aber die scheinbare gleichgültigkeit, mit der er hört, welche meinungen ihm so entgegensprotzen, geht hand in hand mit dem mitleid für die regressiven rentner, die die fußgängerzonen bevölkern. Er freundet sich manchmal wirklich an. Zum beispiel mit einer alten dame. Alfons: „Was, glauben Sie, hat Fronkreisch eigntlisch beigètragèn zur civilisation?“ Alte dame: „Ääähh, lassen Sie mich überlegen. Das hat Deutschland alles selbst gemacht, meine ich.“ „Der ausländer ist halt ein scheiss-ausländer, der Franzose so ein mittelding“, hat Alfons erkannt.

Und in diesem fall wird auf seiten der befragten wenigstens kurz nachgedacht („ääähh“). Ansonsten ist es eher schlecht bestellt um des rassismus‘ widersacher nr.1, die wahrheit. „Was ist fauler – ein arbeitsloser oder ein ausländer?“ „Puh. Ich glaube, von der mentalität her eher der ausländer.“

Die mentalität! Hier unterscheiden sich kanake und fleißiger deutscher. Oft kulminieren die interviews auch zu wortgefechten, in die sich immer mehr leute einmischen. Dann gibt es nur einen konsens: „Wer hat die denn alle ins land gelassen?“

Kein wunder, dass Alfons in sachen aufklärungsjournalismus kultstatus genießt. Und nur ein einziges mal verlässt er sich auf die umfragen anderer, wenn er während seiner live-shows genüßlich eine statistik aus der tasche kramt. „Wer ist sex-weltmeister – 144 mal im jahr? Die franzosen! Will irgend jemand nachher mit einem weltmeister ausgehen?“

Niemand? Niemand. Traurig: Alfons. Robert Best

Alfons on tour: 14. 8., Hamburg, Schmidts Tivoli; 27., 28.8., Hamburg, Die Motte; 8.9., Kiel; 23.9. Bremerhaven; 19.11., Hamburg, Alma Hoppes Lustspielhaus