die stimme der grammatik: wollen oder werden? das ist hier die frage
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Nicht etwa die Autorin, sondern der Redakteur wollte gestern eine Überschrift schillern lassen: „Bush will Leichen aus vielen Ländern sehen“. Will? Dass der US-Präsident nicht die Absicht hat, obwohl manche sie ihm vor lauter Empörung über seine Irakstrategie durchaus unterstellen, sollten wir ihm letztendlich zugestehen. Dass er aber im Begriff steht und sich anschickt, Soldaten aus vielen Ländern im Irak fallen zu sehen – davon müssen wir leider ausgehen. Und genau das erlaubt „will“ in Auxiliarfunktion auszusagen, auch wenn diese Form allgemein nicht sehr häufig vorkommt: „Wollen gibt dem beigesetzten Infinitiv futurische Zeitstufe“, heißt es in Grimms Deutschem Wörterbuch, wenn „die materielle Bedeutung des Infinitivs eine Willensbeteiligung unwahrscheinlich macht“.

Der Ehrlichkeit halber muss noch angemerkt werden, dass die telefonische Duden-Sprachberatung das Futur bildende „wollen“ nur als „Nebenaspekt“ betrachtet. In ihm trete der „intentionale Charakter des Wollens“ zwar zurück, sei aber weiterhin vorhanden und der Grimm eben manchmal nicht nachzuvollziehen. Eine solche Aussage aber kommt doch recht lässig daher, schließlich erschien die Lieferung mit dem Artikel wollen nicht im 19. Jahrhundert, sondern erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Längere Diskussionen mit den Sprachberatern in Mannheim empfehlen sich aber nicht: Ihre 0190er Nummer kostet 1,86 Euro pro Minute.

Also: Keine Entschuldigung für die Bildung des Futurs mit „wollen“, aber doch für ein Wortspiel, das erklärt werden musste. Soll der Redakteur künftig seltene Konstruktionen vermeiden? Er will sehen, was sich tun lässt. BZ