„La Belle“-opfer leiden bis heute

Die berliner opfer des libyschen attentats erhalten insgesamt 35 millionen Dollar entschädigungszahlung. Was bleibt, ist eine gedenktafel und lebenslange schäden

In der nacht zum samstag, den 5. april 1986, hatte Manuela Gruhn keine lust, tanzen zu gehen. „Meine freundin hat noch gegen mitternacht bei mir angerufen und versucht, mich zu überreden. Aber mir war an dem abend nicht danach“, sagt sie. Zwei stunden nach dem anruf explodiert in ihrer lieblingsdisco La Belle eine bombe. „Es war das reine chaos“, erzählt Helga König, die in der nacht zufällig am La Belle vorbeiging. „Ich hatte todesangst, alles war voller scherben, überall lagen verletzte. Von manchen waren sogar die schuhe bis auf die straße geflogen“. Seitdem kann Helga König nicht in geschlossenen kneipen und restaurants sitzen. Ihren kaffee trinkt sie deshalb am imbiss von Manuela Gruhn – keine 50 meter von der stelle entfernt, an der früher das La Belle war. Heute gibt es in der Friedenauer Rheinstraße 79 ein geschäft für tapeten und bodenbeläge. Eine gedenktafel erinnert an die drei todesopfer (eine türkin und zwei US-amerikaner) und die mehr als 200 verletzten, die der vom libyschen geheimdienst geplante anschlag hinterließ. Die disco im amerikanischen sektor der stadt war vor allem bei US-soldaten beliebt – ihnen hatte die bombe gegolten.

Achtzehn jahre nach dem anschlag, der in der libyschen botschaft in Ostberlin geplant worden war, zahlt nun die libysche Gaddafi-stiftung eine entschädigung an die 169 deutschen opfer. 35 millionen Dollar, so viel war am dienstag mit den opferanwälten ausgehandelt worden. Demnach erhalten die hinterbliebenen der türkischen toten eine million Dollar, elf schwerverletzte je 350.000 dollar und 152 leichter verletzte je 190.000 dollar. „Damit haben wir unser realistisches ziel erreicht, auch wenn unsere ursprünglichen forderungen doppelt so hoch waren“, sagt opferanwalt Stephan Maigné. Ein offizielles schuldeingeständnis vonseiten Libyens habe es im übrigen nicht gegeben.

Für Heino Möhring ist die einigung vom dienstag so etwas wie ein abschluss. Er war kellner im La Belle und stand nur wenige meter von der stelle entfernt, an der die bombe gezündet wurde. Innere verletzungen, großflächige verbrennungen, ein offenes bein und ein herzklappenfehler sind die folgen, unter denen der 51-jährige nach wie vor leidet. „Da hilft auch das geld nichts“, sagt er. Als nebenkläger hatte er den prozess gegen die attentäter verfolgt, nun sei er froh, das alles vorbei ist. „Ein fahler beigeschmack bleibt trotzdem“, sagt Heino Möhring. „Mit geld kann man das ganze schließlich nicht ungeschehen machen.“

Das La Belle-attentat im april 1986 war der auftakt einer langen serie von terroranschlägen Libyens gegen den westen. 1988 und 1989 stürzten nach bombenexplosionen zwei flugzeuge über dem schottischen Lockerbie und über Niger ab, für beide attentate wurde der libysche geheimdienst verantwortlich gemacht. Nachdem stasi-akten 1996 auf die spur der La Belle-attentäter führten, konnten im november 2001 die deutsche bombenlegerin und drei ihrer helfer zu langen haftstrafen verurteilt werden. Libyens staatschef Gaddafi, der sein land gerne aus dem kreis der „schurkenstaaten“ herausführen möchte, sagte schließlich entschädigung für die berliner opfer der terroranschläge zu.

Der versuch, sich eine reine weste zu erkaufen, hat offenbar erfolg: bundeskanzler Schröder plant bereits einen besuch im wüstenstaat und will die wirtschaftlichen und politischen beziehungen mit Libyen intensivieren. ALENA SCHRÖDER