Die neue Teilung Europas
: Die Kommission ist jetzt machtlos
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Gut möglich, dass Deutschland und Frankreich 2004 zum dritten Mal in Folge die rote 3-Prozent-Linie übertreten und mehr Schulden machen, als der Stabilitätspakt erlaubt. Für die Finanzminister Hans Eichel und Francis Mer gibt es viele Gründe, die mahnenden Worte aus Brüssel mit Gelassenheit zu erwarten. Unwahrscheinlich, dass der politisch angeschlagene Währungskommissar Pedro Solbes kurz vor Ende seiner Amtszeit im Herbst 2004 einen neuen Streit mit den großen Ländern riskiert.

Dass er gegen den Willen der Finanzminister nichts durchsetzen kann, war ihm schon im vergangenen Jahr schmerzvoll zu Bewusstsein gebracht worden. Damals genoss er einen untadeligen Ruf als Hüter des Euro – dennoch durfte er den blauen Brief an Deutschland nicht abschicken. Darunter hat sein Ego enorm gelitten, denn seither betont er bei jeder Gelegenheit, er habe mit seinen Warnungen doch völlig richtig gelegen.

Inzwischen ist der gute Ruf dahin: die Konservativen im Europaparlament verlangen offen den Rücktritt des für den Eurostat-Skandal politisch verantwortlichen Kommissars. Doch selbst wenn Solbes das Ende dieser Kommission erleben sollte, sind unbequeme Forderungen von ihm kaum zu erwarten. Erst sein Nachfolger könnte das Thema Stabilitätspakt wieder aufgreifen. Es wird aber einige Zeit dauern, bis die Neuen so weit Tritt gefasst hat, dass sie sich Konflikte mit dem Ministerrat leisten. Außerdem müssen die zehn Beitrittsländer erst Erfahrungen im Brüsseler Apparat sammeln, auf Monate wird die Kommission nicht zu ihrer jetzigen Stärke zurückfinden.

Auch im Europawahlkampf werden die Schuldenmacher nicht so am Pranger stehen, wie das Bayernchef Edmund Stoiber wünscht. Denn der größte Schuldenmacher ist der Konservative Jacques Chirac – und deshalb würde jede rechte Polemik gegen linke Politiker wie Schröder, Solbes oder auch Kommissionschef Prodi, die die Stabilität des Euro angeblich nicht wahren können, nach hinten losgehen.