: Auf den Pfaden der Diamantensucher
Die Chapada Diamantina, vierhundert Kilometer westlich von Salvador da Bahia im Nordosten Brasiliens, ist ein karstiges Berggebiet, das zu Wanderungen geradezu einlädt. Flüsse haben hier tiefe Schluchten in die grünen Täler gegraben, aus denen imposante Tafelberge emporragen
Brasilien – da denkt man gemeinhin weniger an ausgiebige Wandertouren, Kraxeleien in den Bergen und andere alpine Betätigungen. Wer jedoch ein bisschen Abwechslung vom Samba, Sand und Sonne sucht, findet im Hinterland von Salvador da Bahia im Nordosten des Landes eine unvergleichliche Landschaft, die sich am besten per pedes entdecken lässt.
Die Chapada Diamantina ist ein karstiges, von grünen Tälern zerfurchtes Berggebiet auf einer Fläche von rund 1.500 Quadratkilometern. Unzählige Wasserfälle laden zum Baden in kühlem, colafarbenem Nass ein. Die Farbe erklärt sich durch den hohen Eisengehalt der Flüsse. Das Wasser ist gleichwohl sauber und in den höheren Lagen auch trinkbar. Im Untergrund finden sich mehrere große Höhlen, die unter Führung zu besichtigen sind.
Der Name der Chapada rührt her von ihrer Geschichte als Eldorado der Diamantensucher. Von 1844 bis in die 1970er-Jahre hinein versuchten hier tausende ihr Glück. Einige Bewohner gehen heimlich immer noch der mittlerweile verbotenen Suche nach. Doch ohne Erfolg, die Bestände sind abgetragen, reich kann man durch diese Arbeit nicht werden. Stattdessen ist in Lençois, der „Hauptstadt“ der Chapada, ein anderer Boom ausgebrochen. Der „Öko-Tourismus“ ist die Haupteinnahmequelle der heutigen Bewohner. Zahlreiche Pousadas (Pensionen), Restaurants und Bars bestimmen das Bild des hübschen Gründerzeitstädtchens, wo noch vor 25 Jahren üble Spelunken, Schießereien auf offener Straße und Raubbau an der Natur gang und gäbe waren.
Bei jungen, großstadtmüden „Paulistas“, den Bewohnern der Megapolis São Paulo, ist Lençois mittlerweile ein Geheimtipp, nicht zuletzt wegen seiner friedlichen Beschaulichkeit. Aber auch in den Travelguides europäischer und amerikanischer Rucksacktouristen wird Lençois mittlerweile als Muss gehandelt. Trotzdem ist in Lençois der Tourismus auf einem – noch – erträglichen Niveau. Es gibt keine Bettenburgen, die Touristenführer achten auf den Umweltschutz, und die Verwaltung des Nationalparks arbeitet eng mit Hoteliers und Agenturen zusammen, um den größten Schatz der Chapada zu erhalten: ihre Schönheit. Der beste Schutz der Chapada bleibt wohl, dass es doch einiger Entbehrungen und eines guten Führers bedarf, um auf den alten Diamantensucherpfaden ihre Geheimnisse zu entdecken.
Wer zum Beispiel Brasiliens zweithöchsten Wasserfall, den Fumaça, sowohl von oben als auch von unten betrachten will, muss sich auf eine viertägige höhenintensive Wanderung mit Übernachtung in der freien Natur einstellen. Bei einem Tagesdurchschnitt von rund 30 Grad kein Zuckerschlecken. Dafür bekommt man unvergessliche Blicke auf die scharfkantigen Felsen, üppige Vegetation und kühlende Erholung in den Naturschwimmbecken der Flüsse geboten. Zahlreiche Orchideen säumen den Weg, bunte Schmetterlinge schwirren umher und einige der Guides vermögen machmal sogar eine Jaguarfährte aufzuspüren.
Als Höhepunkt dieser Tour gibt es natürlich den Blick hinab vom Fumaça, wo sich das Wasser des Flüsschens auf den 400 Metern hinab ins Tal so zerstäubt, dass es wie Rauch aussieht. Wenn man dann abends nach diesem wahrlich schwindelerregenden Ausblick bei der Hippiekommune des Dörfchens Capão eine Sammelunterkunft auf hartem Lager und ein echtes brasilianisches Feijão – Reis mit Bohnen – bekommt, wird einem bewusst, was Alternativtourismus wirklich bedeutet.
Viele Besucher bleiben angesichts dieser Mühen nur zwei bis drei Tage in der Region und verpassen so nicht nur den Forró, den eigentlichen brasilianischen Volkstanz, der hier am Wochenende zelebriert wird. Auch der vielen kursierenden Legenden wird man nur bei einem längeren Aufenthalt gewahr werden – zum Beispiel der Geschichte des Kometen, der in den Oberlauf des Serrano fiel, damit die Liebenden in dem entstandenen Becken in Ruhe baden können.
MARTIN GEGNER
Anreise: Flug mit Tap, TAM, Lufthansa, Varig u. a. ab Berlin und Frankfurt am Main bis Salvador da Bahia (ab 700 Euro). Von dort mit dem Bus, am besten über Nacht, weiter nach Lençois (ca. 6 Stunden). Weitere Informationen: www.brasilien.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen