die neue arbeitswelt
: Harmonie zwischen Beruf und Privatleben?

Zu schön, um wahr zu sein

Die neue Arbeitswelt soll so schön aussehen: flache Hierarchien, mehr Zeitsouveränität und ein harmonischer Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben. Das Ganze hat nur einen Haken. Die Arbeitnehmer glauben nicht daran. Denn die Arbeitsrealität, die sie jeden Tag erleben, ist weit davon entfernt. Die Mehrheit der Beschäftigten hält schon flache Hierarchien für eine Legende, so das Ergebnis einer Untersuchung des B.A.T.-Freizeit-Forschungsinstituts in Hamburg. „Im Berufsleben heute gibt es wie früher auch Hierarchien von ‚Vorgesetzten‘ und ‚Untergebenen‘ “, sagen 80 Prozent der befragten Berufstätigen. Nach wie vor sei eindeutig festgelegt, wer wem unterstellt ist und wer Anweisungen gibt, was wie zu tun ist.

Was getan werden muss, wird allerdings gern mit anderen erledigt. 52 Prozent der Befragten meinen, dass es im Berufsleben heute vor allem auf Gruppenarbeit und Teamgeist ankommt. Gleichzeitig glauben aber 44 Prozent, die Einzelleistung zähle mehr als der Gruppenerfolg. „Im Berufsleben ist offensichtlich beides gefordert: Selbstständigkeit und Teamfähigkeit“, folgert das B.A.T.-Freizeit-Forschungsinstitut. „Je nach Arbeitsauftrag ist mal mehr die eine und mal mehr die andere Fähigkeit gefordert – und im Idealfall beides gleichzeitig.“ Die Analyse der Wirtschaftspsychologen Ralf Brinkmann ist an dieser Stelle präziser. Er glaubt, dass der Egoist heute kooperieren muss. „Man nützt sich selbst am besten, wenn man seine Kollegen und Kolleginnen unterstützt. Nur so können die eigenen Interessen aktualisiert werden“, so Brinkmann.

Zeit sei heute so wichtig wie materieller Wohlstand, heißt es. Weniger arbeiten, um mehr Zeit für sich und die Familie zu haben, das möchten zwar viele, doch nur wenige tun es. Vielmehr sehen Berufstätige neue Arbeitszeitmodelle sehr kritisch, zeigt die B.A.T-Studie. Nur sieben Prozent der Befragten waren an Jobsharing interessiert. Kein Wunder. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit klammern sich die meisten an ihren Job und schuften eher mehr als weniger, um ihn zu behalten. Aber auch davon abgesehen hat Teilzeitarbeit ein schlechtes Image. „Teilzeitbeschäftigte müssen mit der Einschätzung leben, minderbeschäftigt oder gar minderwertig zu sein, weil sie weniger leisten“, erklärt das B.A.T-Institut. Die Vollbeschäftigten hätten den Eindruck, dass sie deren Arbeit mitmachen müssten. Denn zwei Drittel der Berufstätigen haben laut der Untersuchung die Erfahrung gemacht, dass durch Teilzeitjobs kaum neue Stellen geschaffen werden, sondern die „Mehrarbeit auf die übrigen Kollegen verteilt wird“.

Ein anderer Mythos: Work-Life-Balance. Der Anspruch einer Ausgeglichenheit von Beruf und Privatleben wird nicht eingelöst, resümiert die B.A.T-Studie. Die Schuld dafür tragen die Firmen, finden zwei Drittel der Berufstätigen. Wer das Familienleben so wichtig nimmt wie seinen Beruf, gerät schnell in den Verdacht, nicht motiviert bei der Arbeit zu sein. Das kann die berufliche Karriere kosten. Hinzu kommt: Teilzeitarbeiter „werden schlechter bezahlt, weniger gefördert und bei Beförderungen schnell vergessen“.

PIA M. SOMMER