piwik no script img

Asgeir Sigurvinsson mit Islands Elf im Aufwind

Völlers Jungs müssen heute gegen das zunehmend erfolgreiche Inselteam spielen. Ihr Trainer kickte einst bei Bayern

Er wuchs auf den Vestmannaeyar vor der isländischen Küste auf. Sein Vater Sigurvin – auf Deutsch: Siegeroase – war Fischer, Sohn Asgeir schon in frühester Jugend begeisterter Fußballspieler. Die Vestmannaeyar, übersetzt Westmännerinseln, sind bekannt für ständigen Wind und heftige Stürme. Schulkinder bekommen dort gelegentlich Windfrei. „Wer dort überhaupt Fußball auf dem neben der Badeanstalt gelegenen Fußballfeld spielen kann, der muss es eigentlich überall können“, meint der Isländer Stefán Gardarsson (34) aus Berlin und tippt auf 1:0 für Island für das heutige Landerspiel gegen Deutschland. Im ganzen Land gibt es überall Fußballplätze, selbst die allerkleinste Gemeinde leistet sich ein Spielfeld.

Der altnordische Name Asgeir bedeutet so viel wie „Oberster Speer“. Der 48-Jährige wurde im Mai dieses Jahres etwas überraschend zum Nachfolger des 14 Jahre amtierenden und glücklosen isländischen Nationaltrainers Atli Edvaldsson gewählt. Ursprünglich war er nur als Übergangslösung gedacht. Doch dann glückten zwei Erfolge gegen die Färöer (zweimal 2:1) und einer gegen Litauen (3:0). Island hatte damit erstmals in seiner Geschichte die Aussicht, sich für ein großes Turnier zu qualifizieren. „Wir haben eine Truppe, die kämpfen kann“, sagt Asgeir Sigurvinsson, „und nach den letzten Siegen ist bei allen auch das Selbstvertrauen da.“

Asgeir Sigurvinsson lebte 16 Jahre in Deutschland. Er galt als einer der besten Spieler von Bayern München und des VfB Stuttgart. In seiner Heimat war er früh eine Legende. Schon 1980 erschien im Verlag „Orn og Orlygur“ ein Buch über die Erfolge des unbestritten besten Fußballspielers von Island. Die Biografie trägt den bemerkenswerten Titel „Knattspyrnuaevintyri Eyjapeyjans“, auf Deutsch: „Das Fussballmärchen des Inselbübchen“. Sie gehört zur Standardausrüstung der Bibliothek eines jeden gut sortierten isländischen Haushaltes. „Fast jeder junge Fußballfan bekam das Buch von seinen Eltern geschenkt“, so Hrafnkell Birgisson (33), in Berlin lebender isländischer Designer. Wie die meisten seiner in Deutschland lebenden Landsleute tippt er auf einen Sieg Islands: „2:1“. Die Isländer sind unerschütterliche Optimisten, aber gleichzeitig auch Realisten. Sie wissen, dass ihre Nationalelf keine überragenden Einzelspieler hat, aber ein umso stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Um abzuschalten und Kraft zu sammeln, sei Island der richtige Ort, meint Asgeir. Seinen sympathischen Bruder, den Theaterregisseur Andres Sigurvinsson, traf ich – nebenbei gesagt – oft in Reykjavik im „22“, der damals einzigen Gaybar des Landes, und führte mit ihm angeregte Gespräche über Natur und Kunst.

Für das Spiel gegen Deutschland hat Sigurvinsson zwanzig Profis nominiert. Davon spielen nur zwei in Island, der Rest ist in anderen europäischen Ligen, hauptsächlich in England aktiv. Bekanntester Spieler im Team ist Eidur Smari Gudjohnsen, bei Chelsea London unter Vertrag. Bekannt sind alle für ihre Robustheit. Eine Überraschung scheint durchaus möglich, zumal Vizeweltmeister Deutschland in den bisherigen EM-Qualifikationsspielen keine allzu überragenden Leistungen gezeigt hat. Fünf riesengroße Übertragungswagen vom deutschen Fernsehen quälen sich zur Zeit durch die kleinen isländischen Straßen. Alles vergeblich?

WOLFGANG MÜLLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen