Mit 14 in der Verantwortung

Jugend liest: In historischen Romanen kennt man in aller Regel keine Jugendphase

Wie groß ist man eigentlich mit 14? Schwer zu sagen, auch wenn wir uns angewöhnt haben, das Erwachsenenalter frühestens mit Anfang zwanzig beginnen zu lassen. Denn während die einen mit 14 noch superbehütet im familiären Kokon leben, sind andere bereits auf Lehrstellensuche und haben eine Raucherlunge. Viel wissen die beiden Gruppen allerdings in der Regel nicht voneinander – man beäugt sich neugierig, aber von ferne. Selbst dort, wo mehrere Schulen direkt nebeneinander liegen, hört man nur selten davon, dass ein zukünftiger Maurerlehrling mit einer vom Gym geht. Was eine Ständegesellschaft ist, davon dürfte man mit 14 also durchaus eine gewisse Vorstellung haben.

Andererseits ist die Jugendphase eine sehr junge Erfindung – das ist das Erste, was einem beim Lesen historischer Romane entgegenspringt. Matthi ist 14, als er in London als Schiffsjunge bei Kapitän John Franklin anheuert. Florin ist erst zwölf, als sein Vater, der König von Monfiel, in eine Falle gerät und Florin fast in den Kerker kommt. Im gleichen Alter ist Marti, der Mönchsgehilfe, der im 13. Jahrhundert nach Byzanz pilgert. Da hat er schon eine Karriere als Gaukler und Seiltänzer hinter sich. Diese 14-Jährigen haben die Pflichten von Erwachsenen und sie tragen dieselben Lasten, nur dass sie viel ungeschützter als Erwachsene sind: Das ist 2500 vor Christus in Ägypten nicht anders als im Mittelalter oder vor gut 150 Jahren, als der Engländer Franklin in die Arktis aufbrach, um die Nordwestpassage zu entdecken. Aber diese 14-Jährigen haben auch Freiheiten, von denen Jugendliche heute nur träumen können. Sie fahren zur See oder wandern mit einem Esel durch halb Europa, sie verrichten schwierige Aufgaben und übernehmen Verantwortung für sich selbst und andere. Ganz anders als heute, mutete und traute man den Jugendlichen in früheren Zeiten ziemlich viel zu, was allein solche historischen Geschichten interessant macht.

Allerdings setzen historische Jugendromane meistens auch ein Quantum an Wissen voraus. Zwar gibt es zur Hilfe Seekarten über Franklins Route oder ein Glossar über ägyptische Götter und dazu eine Erklärung, warum man „ägyptisch“ im Roman gar nicht sagen darf (weil das Wort nämlich erst 2000 Jahre später bei den antiken Griechen entstand). Arnulf Zitelmann, Experte für Religionsgeschichte, schlägt in seinem Nachwort auf nur neun Seiten gar einen Bogen von der mittelalterlichen Bildungsrevolution bis zum Kampf zwischen dem Papst und dem Stauferkönig Friedrich, Hildegard von Bingen und Thomas von Aquin, die jungen slawischen Balkanvölker und die christliche Missionsgeschichte!

Man kann eine Geschichte aus dem Mittelalter natürlich auch ohne historische Detailbesessenheit witzig und spannend erzählen: Das macht Lilli Thal mit ihrem Narrenbuch „Mimus“ vor. Doch es hat auch seinen Reiz, etwas mehr Ausdauer für die Fakten aufzubringen und zu sehen, wie kompliziert die Welt früher schon war. Als hilfreiches und kurzweiliges Nachschlagewerk sei deshalb die „Visuelle Weltgeschichte der Neuzeit“ aus dem Gerstenberg Verlag empfohlen.

ANGELIKA OHLAND

Christa-Maria Zimmermann: „Die Straße zwischen den Welten. John Franklins Suche nach der Nordwest-Passage“, Arena Verlag, Würzburg 2003. 304 S., 13,90 € Arnulf Zitelmann: „Vor den Toren von Byzanz“, Beltz & Gelberg, Weinheim, Basel, Berlin, 2003. 219 S., 12,90 €ĽKatherine Roberts: „Der große Pyramidenraub“, Hanser, München, 2003. 304 S., 14,90 €ĽLilli Thal: „Mimus“, 445 S., 15,90 € und „Die visuelle Weltgeschichte der Neuzeit“, 536 S., 35 €, beide Gerstenberg Verlag, Hildesheim