Höhenflug brutal gestoppt

Nach dem Ausscheiden der deutschen Basketballer bei der Europameisterschaft gegen Italien und der verpassten Olympiaqualifikation wird ein neuer Trainer für eine eher triste Zukunft gesucht

aus NorrköpingCHRISTOPH BERTLING

Als Dirk Nowitzki mit hängendem Kopf längst die Blamage akzeptiert hatte, wollte Bundestrainer Henrik Dettmann noch immer nicht glauben, was gerade passiert war. 84:86 hatte die deutsche Nationalmannschaft das Relegationsspiel zum Viertelfinale gegen Italien verloren. Als großer Titelfavorit war sie bei der Basketball-Europameisterschaft in Schweden frühzeitig ausgeschieden. Doch nicht nur das: Auch das Minimalziel hatte sie weit verfehlt – die Olympia-Qualifikation für Athen 2004. Der schlimmste Fall war für den deutschen Basketball in diesen Minuten in der Himmelsundtalhallen in Norrköping eingetreten, die erfolgreiche Ära des deutschen Basketballs im Osten Schwedens kläglich zu Ende gegangen.

Noch zwei Stunden nach Schlusspfiff stand Dettmann ungläubig in den dunklen Katakomben der kleinen Halle. Während um ihn herum die Banden abmontiert, die Plakate eingerollt und die Sitze geschrubbt wurden, versuchte er noch immer, das Geschehene zu verkraften. Einsam sah er dabei aus. Auch ihm war klar, dass nun ein neues Zeitalter für den deutschen Basketball anbrechen werde. Und das ohne ihn. Der Deutsche Basketball-Bund (DBB), der Dettmann schon immer beargwöhnte, nutzte die Gunst des Misserfolgs, sich des eigenwilligen Finnen zu entledigen. „Jetzt ist Schluss“, wetterte Vizepräsident Wolfgang Hilgert noch spät in der Nacht.

Bereits während des Turniers hatte es genügend Anzeichen für eine Trennung von Dettmann gegeben. So sagte selbst der Trainer im Augenblick des Scheiterns vor halb vorgehaltener Hand: „Jeder kennt doch meine Situation.“ Die vielen Kommentare der Funktionäre sprachen tatsächlich für eine geplante Entlassung Dettmanns. Zwar nahm Präsident Roland Geggus den Trainer kurz nach dem Scheitern noch in Schutz („Man kann nicht einen einzelnen verantwortlich machen. Auch nicht den Trainer.“). Doch am Ende hieß es doch: „Dettmann walking“.

Schon vor Tagen hatte Hilgert geäußert: „Nach sechs Jahren ist es im Leistungssport doch legitim, darüber nachzudenken, dass sich Dinge abgeschliffen haben.“ Als Dettmann vor der EM verkündete, er werde beim Bundesligisten Mitteldeutscher BC als Trainer im Oktober anfangen, meinte Hilgert gar: „Das kommt uns gelegen.“ Auch Präsident Geggus gilt nicht als Freund des Finnen. Selbst bei der Weltmeisterschaft in Indianapolis, als Deutschland letztes Jahr mit dem Gewinn der Bronzemedaille noch auf dem Zenit seines Erfolges stand, ging der Präsident den Trainer heftig an. Schon immer war Dettmanns Art des Coachings den Funktionären zuwider. Antiautoritär führte er seine Spieler, ließ ihnen viele Freiheiten.

Als der Trainer kurz vor der EM beim Jubiläumsspiel gegen die Europameistermannschaft von 1993 kurz zuvor einen Sprinttest für die DBB-Auswahl ansetzte, mahnte ihn der Verband ab. Nur der Erfolg Dettmanns, dessen Neuaufbau des Teams dem deutschen Basketball Tuchfühlung zur Weltspitze bescherte, hinderte die Führungsriege des DBB, den Bundestrainer früher zu entlassen.

Nach den mühsamen Siegen gegen Israel und Lettland sowie der Pleite gegen Litauen konnte die Mannschaft auch gegen Italien nur in der Anfangsphase überzeugen. „Wir sind nicht als Mannschaft aufgetreten. So hat man eben keine Chance auf hohem Niveau“, bemängelte Nowitzki, der nach starkem Beginn zunehmend die Bindung zum Spiel verlor. Neun Punkte hatte der NBA-Star im ersten Viertel geholt, in den restlichen drei Abschnitten waren es dann nur noch zwölf. In der zweiten Halbzeit stießen die Italiener immer wieder durch die löchrige Abwehr, vor allem Kapitän Giacomo Galanda kam frei zu Würfen. 23 Sekunden vor Schluss stand es zwar noch 78:78, die entscheidenden Punkte holten dann jedoch die nervenstarken Italiener, die das DBB-Team eine Woche zuvor in Berlin ohne Nowitzki noch besiegt hatte. Da hatte Italiens Coach Recalcati die deutsche Defense gepriesen. Gerade diese ließ in Norrköping jedoch in allen vier Partien zu wünschen übrig. „Es gibt keine Entschuldigung für unser Scheitern“, sagte Henrik Dettman.

In wenigen Tagen wird in Hagen eine Krisensitzung einberufen und über einen neuen Trainer diskutiert. Gesucht wird dann ein Übungsleiter auf Honorarbasis. Erst nächsten Sommer kommt das Nationalteam wieder zum Einsatz, wenn die EM-Qualifikation für 2005 ansteht.

Mehr als ungewiss ist die Zukunft von Dirk Nowitzki in der Nationalmannschaft. Um seinen großen Traum, „einmal bei den Olympischen Spielen teilnehmen“, zu verwirklichen, hatte der Star der Dallas Mavericks immer wieder für die DBB-Auswahl gespielt. Nun, wo die Hoffnungen für 2004 in Schweden zerschellten, gibt es für die kommenden Jahre kaum mehr Motivation für den Star. Zieht sich Nowitzki zurück, wäre der Rückfall ins Steinzeitalter – wie ihn auch Präsident Geggus befürchtet – für den Deutschen Basketball-Bund endgültig besiegelt.