piwik no script img

Nepals Bürgerkrieg flammt wieder auf

Nach dem gescheiterten Waffenstillstand kommt es zu Wochenbeginn bei neuen Kämpfen zu über hundert Toten

DELHI taz ■ Die Zahl der Opfer im neu aufgeflammten Bürgerkrieg in Nepal steigt beständig. Die Zeitung Rising Nepal berichtete am Montag, bei Kämpfen im westlichen Distrikt Acham seien über hundert maoistische Rebellen gefallen. Und am Montagmorgen explodierten in der Hauptstadt Kathmandu sieben Sprengsätze in der Nähe von Regierungsgebäuden. Ein Junge starb und zwölf Personen wurden verletzt.

Am 27. August hatten die Maoisten die seit Ende Januar geltende Feuerpause beendet. Regierung und Rebellen hatten sich im März auf einen Verhaltenskodex geeinigt, der die Reibungspunkte zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen vermindern und Friedensgespräche ermöglichen sollte. Diese begannen im Mai. Dieser Waffenstillstand war bereits der zweite Anlauf für eine Lösung des Konflikts, der 1996 ausbrach. Er hat inzwischen offiziell über 7.000 Opfer gefordert, nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen fast 10.000.

Der Waffenstillstand war allerdings schon seit Monaten brüchig. Trotz des vereinbarten Verhaltenskodex war es immer wieder zu Zwischenfällen gekommen, die seit Beginn der Feuerpause 83 Soldaten und Rebellen das Leben kosteten. Die Zwischenfälle nahmen seit Mai zu, als der neue Premierminister S. B. Thapa offenbar ein mündliches Versprechen seines Vorgängers nicht übernahm. Der hatte sich verpflichtet, den Aktionsradius der Armee auf fünf Kilometer um ihre Stützpunkte zu beschränken. Stattdessen engagierte sich die Armee immer mehr in „humanitären Missionen“ in von den Rebellen gehaltenen Zonen, was jedoch Patrouillengänge waren. Am 16. August – einen Tag vor der dritten Gesprächsrunde – griff die Armee im Westen eine Versammlung von Maoisten an und erschoss 19 Teilnehmer.

Menschenrechtsgruppen hatten seit Monaten auf die Einrichtung einer unabhängigen Kommission gedrängt, die solche Zwischenfälle untersuchen sollte, um die Gefahr von Vergeltungsaktionen zu senken und damit eine Gewaltspirale zu verhindern. Doch Armee und Rebellen konnten sich nicht auf die Zusammensetzung der Kommission einigen.

Es war aber hauptsächlich die politische Blockade der Friedensgespräche, die zu ihrem Zusammenbruch führte. Die Maoisten hatten eine Allparteien-Konferenz gefordert, die eine Interimsregierung unter maoistischer Führung einsetzen sollte. Diese sollte dann Wahlen für ein neues Parlament organisieren, das eine neue Verfassung ausarbeitet. Der Vorschlag der Regierung sah Neuwahlen im Rahmen der bisherigen Verfassung vor. Das neue Parlament sollte nur Verfassungsänderungen beschließen, aber nicht eine neue Verfassung. Damit war die Frage des Weiterbestehens der Monarchie, auf deren Beseitigung die Rebellen hinarbeiten, vom Tisch gewischt. Zudem sollten die Maoisten einer Entwaffnung zustimmen, eine Forderung, die ihr Unterhändler Baburam Bhattarai als „lächerlich“ quittierte.

Angesichts dieser Verhärtung und der Zunahme von Zwischenfällen sahen die Maoisten die Sicher ihrer Unterhändler nicht mehr gewährleistet und tauchten wieder unter. Die Gespräche kamen auch nicht voran, weil die Legitimität der vom König eingesetzten Regierung immer mehr ins Wanken geriet. Ihr gelang es nicht, die demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit zu bewegen. Vielmehr verschärfte sich der Konflikt zwischen dem Palast und dem Parlament noch, der mit der Entlassung der Regierung im letzten Oktober begonnen hatte. Denn König Gyanendra hatte sich mit der Ernennung des königstreuen Premiers Thapa über den Wunsch des Parlaments nach einem anderen Kandidaten hinweggesetzt. Jetzt wird die Zukunft der Monarchie auch in den bürgerlichen Parteien diskutiert. BERNARD IMHASLY

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen