Weder Fun- noch Pennerpunk

Die neue Berliner Punkhoffnung Cockbirds bewegt sich hart am Rande des guten Geschmacks. Das ist erfrischend in einer Zeit, in der Punk immer mehr zur dekorativen Mode verkommt und Schnöselpunk gesellschaftsfähig wird

Sommer in Berlin. Fünf kleine Jungs um die 30 erklimmen einen Baukran in Berlin-Mitte, um den Sommer auf ihre Art zu genießen: „Super Aussicht, Sonne hell, Bierchen auf dem Krangestell.“ Hereinspaziert in den Geisteszustand der Cockbirds, Berlins neuer Punkhoffnung! Der lyrische Zweizeiler stammt aus ihrem Lied „Baukran“, in dem sie den weiteren Verlauf ihres Sommerausflugs besingen. Natürlich findet der ein jähes Ende – im Song wie im wirklichen Leben –, als die Gesetzeshüter sie mit Blaulicht und Tatütata vom Gerüst pflücken.

Die Cockbirds sind angetreten, sich ordentlich auszutoben. In möglichst bescheuerter Kostümierung – mit Luftmatratze auf dem Rücken oder im I-fly-New-York-T-Shirt und mit Sprengsätzen am Tarnhosenbund – geben sie fetzigen Gitarrenpunk der alten Schule zum Besten. Wo sie auftauchen, verbreiten die Cockbirds eine Stimmung wie überschwängliche Teenager beim ersten Konzert in Onkel Edes Partykeller. Trotz streckenweise stumpfer Songtexte und Scherzen am Rande des guten Geschmacks handelt es sich bei den Cockbirds um die Sorte Typen, denen man einfach nichts übel nehmen kann. Weil: Sie meinen’s ja nicht böse. Und außerdem erden die Cockbirds den Punk wieder da, wo er geerdet werden muss, nämlich im Rock. Und in der puren Lust am Blödsinn natürlich.

Seit einem knappen Jahr erst gibt es die Cockbirds, und ihr Name sagt eigentlich schon alles über sie, die die perfekte Mischung aus Stumpfsinn und Selbstironie verkörpern. Sie sind aus einer Schnapsidee für eine Silvesterparty entstanden, und da ihnen der Punkrabatz, den sie damals anlässlich der Party veranstalteten, so einen Heidenspaß machte, beschlossen Bassist Bootsy Prollins, Gitarrist Angry Agassi, Sänger H-Rock, Gitarrist Sixpekk und Schlagzeuger Stinkbomb weiterzumachen. Es entstand ein abendfüllendes Programm zackig-knackiger Punknummern, an denen ein paar Hardcore-, Metal- und Rock-Engel vorbeigeflogen sind. Mit heiserem Gebell trägt Sänger H-Rock Texte von asozialer Poesie („ich bin so eiiiiiiiiiiinsam, willst du mit mir geeeeeeeehn“) und schwachem Sinn („Baukran, Baukran, wir sind wieder drauf“) vor. Sein Rezept lautet: Erst kommt der Reim, dann der Sinn. Und vielleicht auch: Ich scheiß auf gute Texte.

Die jugendliche Unbefangenheit, mit der die fünf nur theoretisch Erwachsenen zu Werke gehen, ist äußerst verblüffend. Erstaunlicherweise wirken sie dabei kein bisschen peinlich, was wahrscheinlich daran liegt, dass sie sich selber nicht so entsetzlich ernst nehmen.

Fragt sich nur Folgendes: Wird dieser euphorische Zustand ewig anhalten? Wird das immer so weitergehen mit den Cockbirds? Was haben sie in zwei Jahren noch zu bieten, wenn der erste Überschwang erst mal verflogen ist? Man könnte sich auch damit aufhalten, die mangelhafte Qualität der Texte zu beklagen oder in Das-ist-doch-alles-nichts-Neues-Nörgelei verfallen, aber eigentlich geht es bei den Cockbirds überhaupt nicht um so was alles.

Im Grunde geht es den Cockbirds nur ums Hier und Heute, um den Spaß an der Freude. Und das ist ungeheuer erfrischend, wenn man sich die selbstgefällige, routinierte Langeweile anguckt, mit der sich momentan viele Bands auf der Bühne ausbreiten. Gerade in einer Zeit, in der Punk zur dekorativen Mode verkommt, intellektueller Schnöselpunk gesellschaftsfähig wird und Gitarrenpunk überwiegend zu kommerziellem Funpunk oder nervigem Pennerpunk mutiert ist, tut es gut, wenn der stumpfe, unberechenbare Spaß wieder zu Wort kommt. Natürlich ist es auch Klamauk, aber er lebt. Die Cockbirds sind echt, bis auf die Knochen. Und sie sind ehrlich, mit Tendenz zur Selbstzerstörung. Endlich ist mal wieder was los auf der Bühne.

OLGA-LOUISE DOMMEL

Heute, 21 Uhr, Record-Release-Party ihrer ersten Vinyl-EP auf ihrem eigenen Label Cockain Records. Mit Death Kamp und DJ BK/SS, Galerie Golden Gate, Dircksenstraße 77/78, Mitte