berliner szenenDas Alphabet der Stadt

A wie Adlershof

Ein Brief schickte mich nach Adlershof. Eine gute Gelegenheit, wollte die große, neue Stadt doch sowieso nach Plan erforscht und, wie sagt man, erschlossen werden. Warum also nicht bei A wie Adlershof anfangen?

Es war ein sonniger Tag im einsamen August. Am S-Bahnhof Prenzlauer Allee ließen die Blumen der Floristin bereits die Köpfe hängen, vielleicht lag es an der subtropischen Hitze, vielleicht daran, dass die Floristin mit ihrem Stand anders als ihre Blumen lieber in den kühlen Schatten wollte. Ich musste an das Lied mit den traurigen Blumen denken, die nichts zu bedeuten haben. Endlich dampfte die S-Bahn heran und bot klimatisierten Schutz.

Das Erste, was in Adlershof an diesem schwülen Tag zu sehen war: ein T-Shirt, das auf einer pummeligen Frau klebte: „Nicht ansprechen! Bin schlecht drauf“. Prüfender Blick auf ihren Gesichtsausdruck. Das T-Shirt lügt nicht. Schnell weiter. Dann gab es weitere Blumenstände und ein Plakat des ABC 08, der demnächst gegen den HSV kickt, jedenfalls dem Gekritzel eines Witzbolds zufolge. Ein Vorspiel soll es auch geben.

Die unbemannte Hauptstraße in Adlershof heißt Adlergestell, über die Kreuzung geht es in die Dörpfeldstraße, lange gelbe und erstaunlich schmucke Häuserreihen. Zu vermieten ist einiges. Erst die zugewachsene Ruine des ehemaligen Lichtspieltheaters Capitol zeugt wirklich von Wende und Verfall. In den rumpeligen Nebenstraßen viele kleine Läden, Physiotherapie scheint sehr angesagt, daneben Elektriker und Heizungsinstallateure. Ein neues, sauberes, besseres Pankow, dieses Adlershof, dachte ich und verschwand schließlich in einem Eingang. Auf meinem T-Shirt stand nichts.

RENÉ HAMANN