Ärzte-Urteil sorgt für große Aufregung

Neues EuGH-Urteil zu Bereitschaftsdiensten: Ärztebedarf ist noch unklar. Polizei und Feuerwehr sind nicht betroffen

BERLIN taz ■ Müssen nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes sofort 27.000 neue Ärzte in den Krankenhäusern eingestellt werden? Nun, selbst die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Erfinderin dieser Zahl, will heute nicht mehr daran glauben. „Es könnte sein, dass am Ende etwas anderes herauskommt“, begründete gestern der DKG-Präsident Burghard Rocke, warum man eine Studie in Auftrag gegeben habe, um auszurechnen, wie viele Ärzte man braucht, um das Urteil umzusetzen.

Der EuGH hatte am Dienstag erklärt, dass die Bereitschaftsdienste der Krankenhaus-Ärzte als Arbeitszeit und nicht als Ruhezeit zu gelten haben. Nach europäischem Recht sind die überlangen Dienstzeiten der Assistenzärzte, bei denen sich Tagdienste und nächtliche Bereitschaftsdienste aneinander reihen, also unzulässig. Das Deutsche Arbeitszeitrecht muss geändert werden, eine entsprechende Initiative hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bereits angekündigt. Dann müssen sich in den Krankenhäusern die Tarifparteien einigen, wie man die Arbeitszeiten umgestaltet.

Hier verknüpft sich die Frage nach der Zahl der benötigten Ärzte mit der nach notwendigen Strukturänderungen. „Mehr Geld für mehr Ärzte“ macht nur Sinn, wenn gleichzeitig bessere Arbeitszeitmodelle eingeführt werden.

Die aktuelle Gesundheitsreform sieht vor: Bis 2009 gibt’s 100 Millionen Euro jährlich, um „innovative Arbeitszeitmodelle“ einzuführen und neue Ärzte einzustellen – am Ende sind dies etwa 14.000 neue Stellen, was den Forderungen des Marburger Bunds, der Interessenvertretung der Klinikärzte, entspricht. Beflügelt vom großen öffentlichen Zuspruch nach dem Urteil, forderte Marburger-Bund-Chef Frank-Ulrich Montgomery gestern, statt „7 mal 100“ lieber „3 mal 300 oder 2 mal 350 Millionen Euro“ einzuplanen. „Nicht verhandelbar“, heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium.

Außerhalb der Krankenhäuser wären nur wenige Berufsgruppen mit Bereitschaftsdiensten von dem neuen Arbeitszeitgesetz betroffen. Apotheken und Pflegedienste etwa haben die Bereitschaftszeiten ohnehin in die normalen Dienstzeiten integriert. Zudem nimmt schon die Richtlinie Polizei, Streitkräfte und Katastrophenschutz generell von den Bestimmungen aus. Ein Streitpunkt besteht noch bei der Feuerwehr. Das Bundesarbeitsgericht hat sie in einem Urteil vom Mai dieses Jahres dem Katastrophenschutz zugeordnet, dagegen klagt aber die Feuerwehr Hannover. Sie argumentiert, dass Katastrophen Großeinsätze bedingen würden, diese seien aber die Ausahme. Regeleinsätze bei normalen Bränden könnten nicht als Katastrophe gewertet werden. Die Feuerwehrleute, die ebenfalls 24-Stunden-Schichten kennen, möchten gerne den Schutz der Richtlinie genießen.

Auch bei den Rettungssanitätern ist die Lage noch unklar. Es gibt Arbeitsgerichtsurteile, die sie dem Einzugsbereich der Richtlinie zugeordnet haben, so Jörg Bülow vom Städtebund. Doch da die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist, konnte sie noch nicht angewandt werden. „Wir haben Augen und Ohren bei der gesetzlichen Umsetzung weit offen“, beschreibt VdAK-Sprecher Martin Plass die Lage, denn die Kassen sind es letztlich, die die Rettungseinsätze bezahlen, die die Kommunen organisieren. „Das kann ein großes Problem werden“, schwant ihm. UWI, OES, SIN