Dokumentation: Hilferufe aus dem World Trade Center
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Am 29. August haben die Hafenbehörden von New York und New Jersey die Gesprächsprotokolle von den Funk- und Telefongesprächen aus dem World Trade Center kurz vor dessen Zerstörung veröffentlicht. Die Hafenbehörde (Port Authority PA) war der Besitzer der Zwillingstürme und stellte die Sicherheitskräfte.

Der Veröffentlichung war ein achtzehn Monate dauernder Rechtsstreit mit der New York Times, vorausgegangen, den die Zeitung am 29. August gewann. Die PA wollte die Protokolle nicht veröffentlichen, um die Persönlichkeitsrechte der Opfer zu schützen.

Die New York Times gewann das Verfahren mit dem Argument, dass die Informationen aus den Protokollen ein allgemeines Gut seien, da sie helfen, die Handlungen der Sicherheitskräfte zu analysieren. Insgesamt beinhalten die auf fast 2.000 Seiten transkribierten Gesprächsprotokolle 260 Stunden Gesprächsmaterial.

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Anthony Savas war einer der 47 Angestellten der Hafenbehörde, welche bei dem Anschlag ums Leben kamen.

Savas: „Hör mal, hier ist Tony Savas. Ich bin im 78. Stockwerk. Ich bin im Fahrstuhl gefangen. Von oben kommt Schutt und Wasser herunter … Bitte schickt jemanden, um die Türen zu öffnen!“

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Der Bauingeneur Patrick Hoey rief 25 Minuten nach dem ersten Crash bei der Polizei an. Er saß mit fünf Kollegen in einem Büro der PA auf der 64. Etage des Nordturmes.

Hoey: „Was schlagt ihr vor?“

Polizist: „Bleibt eng zusammen. Bleibt in der Nähe der Treppen und wartet auf die Polizei.“

Hoey: „Werden Sie hier hochkommen, huh? Sie werden jede Etage kontrollieren? Geben Sie einfach Bescheid, dass wir hier oben sind.“

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Eine Stunde später ist Hoey immer noch dort, es gibt kaum noch Luft, Rauch entwickelt sich.

Hoey ruft erneut bei der Polizei an:

Hoey: „Der Rauch wird irgendwie immer schlimmer. Wir denken darüber nach, die Treppen hinunterzugehen. Macht das Sinn?“

Polizist: „Ja, versucht das mal.“

Hoey: „Alles klar. Tschüss.“

Er hat es nicht rechtzeitig geschafft.

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Christine Olander war Managerin bei „Windows of the World“, dem Restaurant auf der 106. Etage des Nordturms.

Olander: „Wir bekommen keine Anweisungen hier oben! Wir brauchen so schnell wie möglich Anweisungen, wohin wir unsere Gäste und Angestellten schicken sollen!“

Polizist: „Wir tun, was wir können. Wir haben die Feuerwehr, wir haben alle, wir versuchen zu euch hoch zu kommen! Rufen Sie in zwei, drei Minuten noch mal an, ich versuche, Anweisungen zu bekommen.“

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Sie rief noch dreimal an, immer ohne Erfolg. Niemand konnte ihr helfen.

Ihr letzter Anruf:

Olander: „Die Frischluft geht schnell zur Neige! Ich übertreibe nicht!“

Polizist: „Ma’am, ich weiß, dass sie nicht übertreiben. Ich habe sie aufgeschrieben, Christine, vierter Anruf, mit 75 bis 100 Personen, ‚Windows of the World‘, auf dem 106. Stock.“

Olander: „Können wir ein Fenster zerschlagen?“

Polizist: „Sie tun, was immer sie müssen, um an frische Luft zu kommen.“

Olander: „In Ordnung.“

Niemand kam aus dem Restaurant lebend heraus.

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Ein Anrufer vom 92. Stockwerk des zweiten Turms:

Anrufer: „Wir müssen wissen, ob wir hier raus sollen, wir wissen, dass es eine Explosion gab.“

Polizist: „Haben Sie Rauchentwicklung auf ihrem Gang?“

Anrufer: „Nein. Sollen wir bleiben oder nicht?“

Polizist: „Ich würde auf weitere Informationen warten.“

Anrufer: „Alles klar, nicht evakuieren.“

15 Minuten später stürzte das zweite Flugzeug in das WTC.

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Frau: „Hi.“

Polizist: „Hier ist die Wache.“

Frau: „Ich versuche etwas über Michael herauszufinden. Er ist im zweiten turm, 70. Etage. In welche Etage ist das Flugzeug geflogen?“

Polizist: „Es sieht nach dem 75. oder 79. aus. Da liegen überall auf dem Platz Leichenteile. So viele verdammte Leichen sind aus dem Gebäude geflogen. Und ich war hier, als das zweite Flugzeug in das Gebäude krachte.“

Frau: „Oh Gott!“

Polizist: „Da müssen hunderte Menschen umgekommen sein. Die Körperteile liegen bis zu fünf Blocks weit.

Frau: „Oh mein Gott! Ich habe vorhin mit jemandem im 88. Stock gesprochen.“

Polizist: „Mit wem?“

Frau: „Es war eine Frau mit Akzent. Vivian oder so. Sie sagte: Rufen sie Notruf 911 an. Wir sind auf der 88. Etage. Wir sitzen in der Falle.“

Polizist: „Okay.“

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Eine Frau, die bei der Polizeistation im Paterre des WTC anrief:

Frau: „War das ein kleines oder ein großes Flugzeug?“

Polizist: „Muss ein kleines gewesen sein.“

Wenige Sekunden später trifft das zweite Flugzeug den anderen Turm. Das Gespräch nimmt eine andere Wendung:

Polizist: „Woah, woah , woah! Das fühlte sich nicht gut an!“

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Polizist: „Hier 8-0.“

Zentrale: „8-0, kommen!“

Polizist: „Der andere Turm ist zusammengestürzt.“

Zentrale: „Verstanden, 8-0. Wir halten fest: Der andere Turm ist eingestürzt.“

Polizist: „Das Gebäude ist eingestürzt, beide Gebäude!“

Zentrale: „Das Gebäude ist weg! Das Gebäude ist weg!“

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Kurz nach denm Einsturz der beiden Gebäude rief ein Polizist bei seiner Frau an:

Polizist: „Hallo?“

Frau: „Frank, bist du das?“

Polizist: „Liebling, Liebling … (unverständlich) … die Explosion gehört?“

Frau: „Ja?“

Polizist: „Sie haben das World Trade Center in die Luft gejagt. Und ich hänge hier auf der Polizeistation fest.“

Frau: „Machst du Witze?“

Polizist: „Nein, ich mache keine Witze … es gab diese Raketenangriffe oder Flugzeuge, und dann rannte ich um mein Leben, weil die Gebäude anfingen zusammenzustürzen. Und ich habe nichts gemacht …“

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Ein männlicher Anrufer informierte die Behörden über die Menschen, die sich aus Verzweiflung aus den oberen Etagen stürzten:

Mann: „Yo, ich habe hier Dutzende von Leichen, Leute stürzen sich einfach vom Gebäude auf … vor dem ersten World Trade. Leute. Leichen fallen einfach vom Himmel … Oben vom Gebäude.“

Polizistin: „Leichen?“

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Ray Murray: „Hafenpolizei, Murray.“

Anruferin: „Hallo, ich bin im World Trade Center. Können Sie mir sagen, was passiert ist?“

Murray: „Madam, ich bin wirklich … da ist … Wir haben nicht alle Informationen.“

Anruferin: „Was sollen wir tun? Sollen wir runterlaufen?“

Murray: „Wo sind Sie jetzt?“

Anruferin: „World Trade, Turm eins, 83. Stock.“

Murray: „Können Sie zur Treppe?“

Anruferin: „Ich weiß nicht … Da ist eine Menge … was runterkommt.“

Murray: „Gut. Wir haben Leute, die

jetzt nach oben kommen, um Sie zu evakuieren. Sie sind im 83.? Welches Büro?“

Anruferin: „8327.“

Murray: „Okay. Gehen Sie runter …“

Anruferin: „Das Fenster ist zersprungen … Es ist gerade in viele Stücke zersprungen.“

Murray: „In Stücke?“

Anruferin: „Uh, das Glas.“

Murray: „Okay. Gut … Wie viele Menschen sind da ungefähr?“

Anruferin: „Einer, zwei, drei, vier.“

Murray: „Okay, vier Leute. Wenn Sie zur Treppe können, gehen Sie runter. Oder wenn … Wir schicken Leute jetzt rauf.“

Anruferin: „Okay, danke.“

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Der Fensterputzer Roko Camaj ist mit einem Kollegen in Funkkontakt, nachdem die Flugzeuge in die WTC-Türme gestürzt waren.

Roko: „Kommt einer rauf?“

Kollege: „Ich glaube nicht, Roko. Sie müssen einen anderen Weg finden, zu dir zu gelangen.“

Roko: „Lasst ja keine Leute rauf … Der Rauch ist zu schlimm.“

Kollege: „Ich will, dass du in die Werkstatt auf dem Dach gehst und dort bleibst.“

Roko: „… (unverständlich) Rauch.“

Kollege: „… dann zu Roko, wo genau bist du? Ich muss es ihnen sagen. Bist du im Treppenhaus oder auf dem Dach?“

Roko: „Ich bin … (unverständlich)“

Kollege: „Roko, wenn die Treppe frei ist, komm runter. Lass dir Zeit. Alles, ähm, lass dir Zeit. (Pause) Roko, hast du verstanden?“

Roko: „Gehe … (unverständlich)“

Kollege: „Kannst du die Treppe runtergehen … Wenn du es bis aufs Dach schaffst, geh in die Werkstatt …“

Roko: „Ich kann nicht“

Roko Camaj konnte nicht gerettet werden.

T.F.P.