Gackern über Galapagosschildkröte

Im Abgeordnetenhaus kritisiert die Opposition die vom Senat beschlossene Erhöhung der Kita-Gebühren als familienfeindlich. Die rot-rote Koalition verteidigt den Beschluss als sozial gerecht und verweist auf die notwendige Haushaltskonsolidierung

von SUSANNE LANG

So viele Eier wird der Bildungssenator in seiner gesamten Amtszeit nicht legen können, dass der Vergleich des CDU-Abgeordneten Sascha Steuer halbwegs treffend gewesen wäre: Wie eine „Galapagosschildkröte auf Tauchgang“ verhalte sich Klaus Böger (SPD) angesichts der zahlreichen bildungspolitischen Eier, die der Senat jüngst beschlossen hätte. Genau genommen war es nämlich nur eines, allerdings ein dickes, das den Mann von der CDU gestern im Abgeordnetenhaus derart empörte, dass er sich zu eben jener Stilblüte aus dem Tierreich hinreißen ließ: Die vom Senat beschlossene Erhöhung der Kita-Gebühren. Sie erregte nicht nur die Gemüter der CDU. Auch FDP und Grüne kritisierten in einer aktuellen Stunde die Erhöhung heftig als bildungs- und familienfeindlich.

Die vermeintliche Schildkröte ließ sich davon – fast schon wieder ganz arttypisch – nicht aus der Ruhe bringen. Böger spulte seine Verteidigungsargumente für die Erhöhung ab. Vor dem Hintergrund der angestrebten Verfassungsklage Berlins für Bundeshilfen müsse das Land eine Eigenleistung erbringen. Von der Erhöhung der Gebühren verspricht sich der Senat immerhin Mehreinnahmen von 12,4 Millionen Euro pro Jahr. Dennoch sei die neue Staffelung der Gebühren sozial gerecht gestaltet und stelle daher keine finanzielle Barriere für einen Kita-Besuch dar. Geringverdienende könnten sich einen Kitaplatz weiterhin leisten. Nur knapp die Hälfte der Eltern sei überhaupt von der Erhöhung betroffen.

Trotz im Vorfeld laut gewordener Kritik aus den eigenen Reihen von SPD- und PDS-Fraktionen hatte der Senator gestern in diesem Punkt die Koalition hinter sich. Margrit Barth, Kita-politische Sprecherin der PDS, richtete den finanziellen Zeigefinger vielmehr auf die Reihen der CDU-Fraktion, die unter der großen Koalition maßgeblich für den Schuldenberg Berlins verantwortlich gewesen sei: „Dies ist der wahre Grund für die drastischen Sparmaßnahmen.“

Senator Böger wollte hingegen lieber in die Zukunft sehen und von den Vorteilen sprechen, die schließlich auch mit der Verteuerung einhergingen. Zwar würden Kitas teurer für viele Eltern, für alle Kinder dafür besser, so das Versprechen des Bildungssenators. Die Konzepte lägen bereits auf dem Tisch, mit denen die Qualität der Betreuung in Kitas steigen soll.

Spätestens an dieser Stelle des Schlagabtausches zwischen rot-roter Koalition und Oppositionsfraktionen machte so mancher Parlamentarier und so manche Abgeordnete in den Reihen von CDU und FDP den Anschein, als hätten sie die Tiergattung mal eben gewechselt. Aufgeregtes Gegacker und lustige „Eierdieb“-Zwischenrufe ließen eher auf Nichtakzeptanz der Argumente schließen. Sascha Steuer blieb unbeirrt bei seiner Kritik, dass die Anhebung der Gebühren „unverhältnismäßig“ sei. Viele Eltern würden nun auf Ersatzmaßnahmen zurückgreifen, die da zum Besipiel Tagesmutter heiße. „Es zeugt nur von der Ignoranz des Senators gegenüber der Berliner Realität, dass Böger die Flucht aus den Kitas leugnet“, sagte Steuer.

Nicht nur ignorant, gar als gestört bezeichnete Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP, das Verhältnis des gesamten Senats zur Bildungspolitik. Haushaltslöcher könnten nicht auf Kosten der Bildung gestopft werden, mahnte Senftleben. Was sich ebenso an die Adresse des anwesenden Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) richtete, dessen Ohren just in diesem Moment leider telefonisch blockiert waren. Dabei war die Zielrichtung von Senftlebens Kritik nicht so ganz falsch, als sie ein „Missverhältnis“ zwischen Bildungs- und Finanzsenator ausmachte. Bögers Politk sei unglaubwürdig, so die FDP-Sprecherin, wenn er sich öffentlich immer wieder dafür positioniere, dass vorschulische Erziehung kostenfrei sein müsse, sie tatsächlich jedoch verteuere.

Fehlte eigentlich nur noch ein konstruktiver Beitrag, eine Alternative zu der Erhöhung, wenn denn schon konsolidiert werden muss. Sie kam von den Grünen. Deren Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz kündigte ein Modell zur Gegenfinanzierung für kostenlose Vorschulbetreuung an. Es soll mit Mitteln aus dem überhöht finanzierten Stellenpool mit Mehrausgaben von 96 Millionen Euro ermöglicht werden.