Zuverlässig den Erfolg produzieren

Matthias Hartmann konnte es sich aussuchen: Ab 2005 wird er neuer Intendant in Zürich. Hamburg hat das Nachsehen

Als Matthias Hartmann vor drei Jahren seinen Posten als Intendant des Bochumer Schauspielhauses antrat, sagte er einmal über sich selbst: Er sei jemand, der mit ziemlich großer Sicherheit so inszenieren könne, dass es den Leuten gefalle. Die Statistik stützt die Selbsteinschätzung. Damals hatte er mehr Inszenierungen in den aktuellen Spielplänen deutschsprachiger Theater als irgendein anderer Regisseur. Zudem arbeitete er an den angesehensten Schauspielhäusern in Hamburg, München, Wien. Und auch am Zürcher Schauspielhaus, das er jetzt leiten will.

In Bochum haben sich unter seiner Aufsicht die Besucherzahlen vervielfacht: In der letzten Saison kamen 230.000 Zuschauer, während der Vorgänger Leander Haußmann zuletzt 90.000 verzeichnen konnte. Hartmann hat die braven Stadttheatergänger mit dem Haus versöhnt, denen die Popqualitäten, die Kalauer und das gute Aussehen seines Vorgängers verdächtig waren. Er hat ihnen Abende mit gediegenen Oberflächen spendiert und ein paar Stars: Armin Rohde und Joachim Król haben wieder in Bochum gespielt, Helge Schneider hat inszeniert, und – der größte Coup – Harald Schmidt hat in zwei Produktionen für permanent ausverkaufte Aufführungen gesorgt.

Man könnte Matthias Hartmann als Strategen einordnen, als Theatergeschäftsmann mit Marketingtalent. Dazu passt, dass er am Fuße des Teutoburger Waldes aufgewachsen ist, ein Landstrich, der für die nüchterne Art der Eingeborenen berühmt ist. Nach der Schule kam eine kaufmännische Ausbildung. Schließlich sein Auftreten: Seine langen, korrekt gekleideten Glieder bewegt er ein wenig steif, und die Grundstimmung seiner Gesichtszüge ist bei öffentlichen Anlässen stets ernst, beherrscht.

Doch manchmal kann man sehen, wie viel Kraft ihn die Beherrschung kostet. Wenn er angegriffen wird, etwa mit dem Vorwurf, eine allzu anschmiegsame Linie zu vertreten. Er hält den Ärger zurück. Er will das nicht. Denn letztlich will er die Kunst, die große, hohe, komplizierte. Wenn er in leicht gespreizten Sätzen von der Sehnsucht nach Experimenten spricht, dann muss man ihm das glauben. Obwohl sein Theater oft nicht danach aussieht. Matthias Hartmann kann mit erstaunlicher Sicherheit Publikumserfolge herstellen, aber allein damit ist er nicht zufrieden. Auch dafür lassen sich Belege finden – etwa in den Plänen für die aktuelle Saison: Es gibt wenig sichere Nummern nach dem Bauprinzip „Klassiker + verlässlicher Regisseur“. Als Auftakt inszeniert Hartmann die Uraufführung von Falk Richters „Electronic City“ – eine Gelegenheit, an den raffinierten Einsatz von Video anzuknüpfen, den er in den vergangen Jahren an Texten von Albert Ostermaier und Christian Kracht entwickelt hat.

2005 wechselt Matthias Hartmann nach Zürich. Vielleicht auch das eine Flucht vor seinem Image als Erfolgstheatermanager. Denn wäre er dem Wunsch der Hamburger Kultursenatorin Dana Horáková gefolgt, wäre er ans Deutsche Schauspielhaus gegangen, hätte schnell der Verdacht entstehen können: Da tritt einer an, der dem Populismus der Senatorin entspricht. Aber wer weiß: Hartmann selbst hat in jüngster Zeit gesagt, er prüfe vor allem die äußeren Bedingungen in den verschiedenen Städten. Vielleicht war es doch nur eine Sache von Verträgen.

MORTEN KANSTEINER