Seelisch gesund durch Gymnastikkurse und Gedächtnistraining

Das St. Josefshaus im Refrath verbindet Altenpflege und Hospizarbeit. Im ersten „integrierten Hospiz“ Deutschlands haben sterbenskranke Menschen die Chance, soweit möglich bis zu ihrem Tod in den eigenen vier Wänden zu bleiben – betreut von vertrauten Bezugspersonen. Diese beobachten oftmals, wie ihre PatientInnen dadurch aufblühen

Refrath taz ■ „Die Augen der Wachkoma-Patientin haben geleuchtet, als sie das warme Fell ihres ehemaligen Reitpferdes berührte. Sie hat den vertrauten würzigen Geruch des Tieres beinahe wie ein Lebenselixier in sich aufgesaugt. Ihre gelöste Haltung und entspannter Gesichtsausdruck haben mich und die Umstehenden direkt nachfühlen lassen, welche innerliche Glückseligkeit und Verzückung die sterbenskranke Frau in diesem Moment empfand.“

Schwester Regina Hollingshaus erzählt gerührt vom letzten Geburtstag einer ihrer ehemaligen Bewohnerinnen draußen an der Pforte des St. Josefshaus Refrath. An diesem Tag hat sich der letzte Lebenstraum der 55-jährigen erfüllt. Wenige Tage vor ihrem Tod hat sie ihre Stute, die sie früher fast täglich geritten hat, zum letzten Mal gesehen.

Schwester Regina Hollingshaus hat dieses einzigartige Geburtstagsgeschenk möglich gemacht. Im ersten „integrierten Hospiz“ Deutschlands, der bislang einzigen Einrichtung, die Altenpflege und Hospizarbeit miteinander verbindet, ist es ihr Job, den derzeit knapp 170 Bewohnern ihre ganz individuellen Wünsche buchstäblich von den Augen abzulesen. Denn so wie diese Wachkoma-Patientin sind viele der Bewohner im St.Josefshaus in dem bergischen Ort zu alt, schwach oder dement, um ihre Bedürfnisse noch klar und deutlich mitzuteilen.

Die dem Palottinerinnenorden angehörende Altenpflegerin und Palliativ (= sterbebegleitend/schmerzlindernd) -Beauftragte hat eine Aufgabe, die es in konventionellen Altenheimen nicht gibt. „Für diese intensive Art der Sterbebegleitung ist dort wegen zu wenig Personal und Geld einfach keine Zeit“, erklärt Regina Hollingshaus.

Das Besondere dieses neuen Integrationskonzepts: Statt die Bewohner wie im konventionellen Pflegeheim üblich unter seelisch und nervlich unwürdigen Bedingungen zum natürlichen Sterben noch ins in Krankenhaus einzuliefern, bleiben die Betroffenen, soweit eben möglich, bis zu ihrem Tod im persönlichen Schutzraum ihrer eigenen vier Wände, umgeben von den sie seit Jahren umsorgenden Bezugspersonen.

Doch das ist nur möglich, weil Schwester Regina Gesundheitszustand und seelische Verfassung jedes einzelnen genau kennt. Immer wieder erlebt sie, dass durch ihre persönliche Zuwendung kleine Wunder geschehen. Menschen, die bei ihrer Einlieferung in einem so schlechten Zustand sind, dass sie künstlich ernährt werden, lassen sich plötzlich wieder füttern, sitzen sogar wieder mit den anderen am Tisch.

„Oft sind es kleine, alltägliche Dinge, durch die die Menschen bei uns aufblühen, sich bei uns geborgen fühlen. Zum Beispiel, weil wir mit ihnen ihr Leibgericht kochen, zum Wochenmarkt gehen, oder ihre Lieblingsmusik hören.“

Das Konzept funktioniert natürlich nur, wenn auch das übrige Pflegepersonal seine Arbeit mit entsprechend umsichtigem Selbstverständnis tut. Nach und nach werden Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer daher in speziellen Fortbildungen geschult. Außerdem sorgen Gesprächskreise, Filmnachmittage, Gymnastikkurse, Gedächtnistraining oder die obligatorische Party für die Geburtstagskinder des Monats dafür, dass die Bewohner dauerhaft körperlich und geistig gefordert werden und somit auch seelisch fit bleiben.

„Vor allem für Bewohner ohne Angehörige ist dieses neue Konzept die Chance, im fürsorglichen Rahmen in Geborgenheit zu sterben“, betont Schwester Regina Hollingshaus und denkt daran, wie sehr es sie gerührt hatte, ihre frühere Wachkoma-Patientin in den letzten Stunden ihres Lebens überglücklich zu sehen. Genau das wünscht sich die 67-jährige auch für sich persönlich: ihre letzten Tage hier in der vertrauten Umgebung im St. Josefshaus und im Kreise der Menschen zu verbringen, die ihr am nächsten stehen. Marika Dresselhaus