„Du musst flexibel sein“

Traumberuf SchauspielerIn (4): Es ist ein Handwerk wie jedes andere auch, sagt Isabella Rapp. Die Voraussetzungen: Viel Disziplin und noch mehr Leidenschaft. Und 200-prozentige Konzentration, wenn man auf der Matte steht

von Carolin Ströbele

Musik und Darstellung waren schon immer mein Hobby, meine Leidenschaft und meine Inspiration. Mit sieben Jahren habe ich angefangen, Klavier zu spielen und Ballett zu tanzen, mit 14 hatte ich meine erste Band. Dass ich mein Hobby zum Beruf machen will, ist mir klar geworden, als ich 19 war.

Meine Ausbildung habe ich an der Stella Academy in Hamburg gemacht. Die Sparte Musical habe ich mir vor allem deshalb ausgesucht, weil es die einzige Möglichkeit war, alles auf einmal zu lernen: Schauspiel, Gesang und Tanz. Die Schule war knallhart und hat viel Konsequenz erfordert. Ich bin ja eigentlich ein „alter Punk“. Aber wenn du morgens um neun Uhr im Ballettsaal stehen musst, anderthalb Stunden Ballett, anderthalb Stunden Jazz und noch vier Stunden Schauspiel, Gesang, Chor und Musiktheorie vor dir hast, dann kannst du nicht mehr einfach die Nächte durchmachen. Man muss wirklich fleißig und ehrgeizig sein, sonst funktioniert es nicht. Du musst ein verdammtes Stehaufmännchen sein. Wenn es mir mal nicht so gut ging, war es immer der Beruf an sich, der mir die nötige Kraft gegeben hat. Sich „austanzen“ oder „aussingen“ zu dürfen – da kann man so viele Gefühle hineinlegen. Oder wenn ein von mir verehrter Lehrer mir nur ein kleines Lob gegeben und gesagt hat: „Das hat mich sehr berührt“ – das baut einen unglaublich auf.

Nach dem Ende der Ausbildung, im Juli 2002, wollte ich so schnell wie möglich arbeiten – und zwar nicht kellnern gehen, sondern das machen, was ich gelernt habe. Punktum. Meinen ersten Job hab ich dann im Hamburger Dungeon bekommen – als „Grusler und Geschichtenerzähler“. Seitdem lebe ich von meinen darstellerischen Künsten. Im vergangenen Jahr habe ich die Hauptrolle in dem Hamburger Kurzfilm In der Morgendämmerung von Reinaldo Sagbini gespielt. Ich war eine Pantomimin – eine Rolle, die mich auch persönlich sehr berührt hat. Danach habe ich ein Engagement als Solistin für die „Aida“-Kreuzfahrtschiffe bekommen, bin zehn Monate lang um die Welt gefahren und habe jeden Abend als Sängerin und Tänzerin auf der Bühne gestanden. Auf dem Schiff habe ich Jasmin Wagner (ehemals: Blümchen) kennen gelernt, die dort als Gast aufgetreten ist, und bin in ihrer Truppe als Background-Sängerin und Tänzerin mit aufgetreten. Seitdem ich wieder in Hamburg bin, toure ich mit Jasmin Wagner & Band an den Wochenenden durch Deutschland. Außerdem singe ich für die Vocal Artisten in Bremen.

Die größte Herausforderung auf der Bühne ist, wenn man sich in einem emotionalen Ausnahmezustand befindet und trotzdem seine Rolle erfüllen muss. Diese Konzentration beizubehalten und private Gedanken abzustellen – das ist das Schwierigste an dem Beruf. Du musst einfach auf der Matte stehen und funktionieren – und zwar 200-prozentig. Es ist schließlich ein Handwerk. Als Klempner kannst du auch nicht bei einem Rohrbruch sagen: „Ich kann gerade nicht kommen, weil ich Stress zu Hause habe.“

Zurzeit bewerbe ich mich weiter für Musicals, bei Bands und Studioprojekten. Die Musical-Castings sehen meistens so aus: Eine Jury sitzt an einer Art Bankett und wählt garantiert das Stück aus, das du am schlechtesten vorbereitet hast. Dann trägst oder tanzt du es vor und wenn es ihnen reicht, heißt es: „Danke.“ Und du weißt nicht, ob das positiv oder negativ gemeint ist. Vielleicht rufen sie an, vielleicht hast du aber auch am nächsten Tag eine Absage im Briefkasten. Oder du hörst gar nichts! Da ist Geduld gefragt.

Für die Zukunft möchte ich versuchen, mit Gesang, Tanz oder Schauspielerei so viel Geld zu verdienen, dass ich meinen Lebensunterhalt bestreiten und nebenbei in Ruhe an meinen Projekten arbeiten kann: zum Beispiel eigene, gefühlsgeladene Stücke mit verschiedenen Musikern zu entwickeln. Im August spiele ich auch wieder in einem Kurzfilm mit: Die Titelrolle in Rotkäppchen von Bastian Hillengaß. Es geht um das ursprüngliche Märchen, spielt aber in der Großstadt Hamburg.

In diesem Beruf muss man flexibel sein. Wenn du dich auf etwas total fixierst und es dann nicht bekommst, ist der Sturz sehr tief. Natürlich ist die ständige Unsicherheit wahnsinnig anstrengend. Aber es ist mein Beruf, ich habe mich dafür entschieden und ich mache ihn wahnsinnig gerne, mit all meiner Leidenschaft. Wenn ich mich durch Musik ausdrücken kann, ist das alles, was ich brauche.