Dem Spreewald geht das Wasser aus

Klimawandel und Rückgang des Bergbaus bedrohen die Feuchtlandschaft südöstlich Berlins. Wissenschaftler fürchten vor allem um die Artenvielfalt in den Mooren und fordern Umleitung der Wasserströme. Aus der Oder soll frisches Nass kommen

VON OLIVER TRENKAMP

Ruhig gleitet der Holzkahn über das Wasser. Durch schmale Fließe und Kanäle, unter schattigen Bäumen hindurch, vorbei an kleinen Häusern und Hütten. Hinten, am Heck des Bootes, steht der Fährmann und stakt den Kahn mit einem langen Balken – dem „Holzrudel“. Solche Touren durch den Spreewald sind eine beliebte Attraktion für Ausflügler aus dem etwa hundert Kilometer entfernten Berlin. Doch in wenigen Jahrzehnten könnten die Entspannung suchenden Großstädter auf dem Trockenen sitzen, zumindest in einigen Teilen des Spreewaldes. Das Feuchtgebiet droht von den Rändern her auszutrocknen.

Verantwortlich dafür ist vor allem der Rückgang des Braunkohletagebaus seit der Wende. Die DDR deckte noch zwei Drittel ihres Strombedarfs durch Braunkohle. Deshalb wurde auch in der Niederlausitz im großen Stil Tagebau betrieben. Dafür wurde der Grundwasserspiegel abgesenkt. Das abgepumpte Wasser wurde in die Spree umgeleitet und versorgte so auch den Spreewald. Es gab 50 Prozent mehr Wasser als vor dem Bergbau. Da die Stromproduktion durch Braunkohle die Umwelt enorm belastet, wurde der Tagebau nach dem Ende der DDR immer weiter zurückgefahren. Seit 1990 geht deshalb das Wasser im Spreewald ebenfalls zurück.

Hinzu kommt der Klimawandel. Wissenschaftler von mehreren Universitäten und Instituten aus Berlin und Brandenburg befürchten, dass bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad in den nächsten 50 Jahren das Wasser im Spreewald immer knapper wird. Bei höheren Temperaturen verdunstet das vorhandene Wasser schneller, und weniger regnen soll es auch.

„Darunter wird vor allem die Landwirtschaft an den Rändern des Spreewaldes leiden“, sagt Ottfried Dietrich vom Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF), das an einem Forschungsprojekt zum Wasserhaushalt im Spreewald beteiligt war. Zwar sei die berühmte Spreewaldgurke nicht bedroht, doch gebe es noch andere Gefahren. Außer vor sinkenden Erträgen in der Landwirtschaft warnt Dietrich vor den Folgen für den Lebensraum Spreewald: Die Niedermoore in der Region könnten austrocknen, seltene Arten aussterben.

Bisher wirkt die Landschaft zwischen Cottbus und Lübben fast wie aus dem Bilderbuch. Die kleinen malerischen Dörfer, die vielen Wasserläufe und die Tier- und Pflanzenwelt sind beeindruckend. Im Spreewald gibt es zum Beispiel noch Fischotter. Die sind in Deutschland selten geworden. Außerdem surren viele verschiedene Libellenarten über die Kanäle, und Weißstörche haben hier ihre Heimat. Seit der Wende steht der Spreewald denn auch als Biosphärenreservat unter dem Schutz der Unesco.

Mit heißen Sommern und weniger Wasser kam die Region bisher ganz gut klar. Karl-Heinz Starick betreibt eine Hotelanlage in Lübbenau. Viele Holzkähne legen direkt an seinem Hotel an. Starick hat keine Angst vor der Trockenheit und sagt: „Das wird alles dramatisiert.“ Wasser könne aufgestaut und bei Knappheit zugeleitet werden. Heißes Wetter sei ideal, die Ausflügler könnten sich im schattigen Spreewald erholen.

Der Wissenschaftler Malte Grossmann von der TU Berlin warnt jedoch: „Was jetzt die Ausnahme ist, wird in einigen Jahren zur Regel.“ Er meint die heißen und trockenen Sommer. „Das Wasser reicht jetzt schon nicht“, so Grossmann, der auch an dem Klimaforschungsprojekt beteiligt war. Die entscheidende Frage sei, wie das vorhandene Wasser der Spree verteilt werde. Er fordert, dass das gesamte System der Wasserverteilung überprüft wird. Es müsse jetzt gehandelt werden, weil die Verhandlungen zur Wassernutzung für die nächsten fünf Jahre schon laufen.

Ähnlich wird es auch in der Verwaltung des Biosphärenreservats gesehen, das zum Landesumweltamt Brandenburg gehört. Doris Lorenz, Sprecherin des Biosphärenreservats, sagt: „Der Klimawandel berührt auch den Spreewald.“ Nun würden Handlungsstrategien entwickelt, um den Wassermangel bewältigen zu können. So werde unter anderem auf die „Zuführung von Wasser aus dem Einzugsgebiet der Oder“ gesetzt.

Ganz muss die Kahnfahrt im Spreewald 2050 in keinem Fall aufgegeben werden. Betroffen sind hauptsächlich die besonders flachen Gewässer und die Randregionen. Wenn sich jedoch alle Ausflügler im Kerngebiet treffen, ist es vorbei mit der entspannten Ruhe. Und selbst da ist das Wasser an manchen Stellen sehr flach. Schließlich lautet schon jetzt ein Spreewälder Sprichwort: „Wer im Spreewald ertrinkt, ist nur zu faul zum Aufstehen.“