Cancún ist weit, sehr weit weg

Beim WTOpoly auf dem Alex spielen 60 Globalisierungskritiker Monopoly mit Großkonzernen. Anlass des Protestes ist die Konferenz der Welthandelsorganisation WTO im mexikanischen Cancún. Die Aktionen waren in Berlin aber mau besucht

von FELIX LEE

Eigentlich sind die Regeln nicht schwer, fast jeder kennt sie: Der Spieler erhält Startkapital, es wird reihum gewürfelt, und wer über Los zieht, bekommt 4.000 Moneten. Nur heißt der Gewinn bei dieser Variante „Ausbeutungsgewinn“. Und die Spieler, die sich als Konzerne verkleidet haben, sind selbst die Spielfiguren. Sie dürfen auf der 7 mal 7 Meter großen Spielfläche von einem Feld auf das andere ziehen. Kommen sie am Gefängnis vorbei – bei diesem Spiel heißt das Feld Globalisierungsfalle –, dürfen sie den Insassen – der Umwelt, der Demokratie und den Sozialstandards – mit der Zigarre „Abgase ins Gesicht“ blasen. Ziel bleibt aber auch bei diesem Spiel: der höchste Profit.

WTOpoly heißt das Spiel, das rund 60 zumeist junge Leute am Samstag auf dem Alexanderplatz den Passanten vorführten. Angelehnt an das Brettspiel Monopoly protestierten sie mit dieser Straßenaktion gegen die WTO-Ministerkonferenz, die bis gestern im mexikanischen Cancún tagte. Ihr Spiel spiegele nur die Realität wider, sagte der Sprecher der Aktion, Oliver Treffkorn vom BUND: „Konzerne und Industrieländer bestimmen die Regeln.“ Denn auch hier unterscheidet sich WTOpoly vom Originalspiel: Egal, wie hoch die Würfelzahl ist – letztlich entscheiden die WTO-Drahtzieher. Und die sitzen mit weißen Masken im Gesicht hinter einem Tisch und heißen EU, USA und Japan.

Die Aktivisten sehen ihr Spiel als Teil einer weltweiten Protestkampagne gegen die Minsterkonferenz im fernen Cancún. In Berlin war es bereits der zweite Aktionstag. Schon am Dienstag hatten Globalisierungskritiker zum Protest gegen die Verhandlungsart der Industrieländer auf der WTO-Konferenz geblasen. Zahlenmäßig waren alle Aktionen aber eher mau besucht. Sowohl bei der Attac-Straßenblockade vor Konzernzentralen am Potsdamer Platz als auch bei der Kurzbesetzung der Berliner VW-Repräsentanz, wo Globalisierungskritiker gegen die Vertreibung brasilianischer Landarbeiter protestiert hatten, waren nicht mehr als 30 Demonstranten dabei (die taz berichtete).

Nur die Gegenkonferenz der Globalisierungskritiker vor einer Woche an der TU zählte mehr Teilnehmer – rund 600. „Einen Massenprotest haben wir auch gar nicht erwartet“, sagt Nico Wehnemann von Attac Berlin. Wichtige Aktivisten seien nach Cancún gefahren, zudem sei es wichtig, die Menschen überhaupt über die WTO zu informieren. „Vielen Medien ist kaum zu entnehmen, über welche weitreichenden Entscheidungen in Cancún verhandelt wird“, so Wehnemann. Sein Mitaktivist Oliver Treffkorn kann sie in einem Atemzug aufzählen: Gentomaten im Supermarkt, Privatisierungen bei Bildung und Gesundheit, Patente auf Leben.

Tatsächlich: Viele der Passanten, die sich die Aktion anschauten, sind über die WTO-Verhandlungen nicht im Bilde. Irgendwas mit Landwirtschaft und Dritte Welt, sagt eine 60-jährige Frau. Und der Mann neben ihr: „Die Bauern wollen mehr Geld von uns.“ Ein dritter Passant hat noch nie von der WTO gehört.