piwik no script img

frisches flimmernZu süßes Fleisch

„Können sie sich vorstellen, in den eigenen Arsch gestopft zu werden? Es hat etwas Mythisches“, der despotische Metzgermeister Holger (Ole Thestrup) erklärt einer älteren Kundin das Geheimnis seiner Wurstherstellung. Seinen beiden Angestellten reicht es. Der ständig schwitzende, leicht psychopathische Svend (Mads Mikkelsen) und der permanent zugedröhnte Bjarne (Nikolaj Lie Kaas) wollen ihren eigenen Fleischereiladen eröffnen. Doch die beiden Schlachterfreunde haben Startschwierigkeiten. Sehr zur Freude von „Wurst-Holger“.

Bjarne will sogar das Beatmungsgerät seines hirntoten Bruders abschalten, um an das Familienerbe zu gelangen. Als auch noch der Elektriker in der Kühlkammer eingesperrt wird und erfriert, ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. In seiner Panik verarbeitet Svend den Schenkel des toten Handwerkers. Die eigens marinierten Filetstücke werden zur Lieblingsspeise der Kleinstadtbewohner. Sein Kumpel Bjarne ist entsetzt, doch das Geschäft mit dem angeblichen Hühnerfleisch floriert. Weitere seltsame Zwischenfälle mit Todesfolge sichern das Überleben ihres gemeinsamen Metzgereibetriebes. Die zwei liebenswerten Schlachter sind seelisch nämlich genauso kalt wie ihr Gefrierraum. Bjarne präpariert zu Hause am liebsten die Skelette von selbst getöteten Tieren. Erst Pastor Villumsen (Aksel Erhardsen), der vor Jahren, als einziger Überlebender eines Flugzeugabsturzes in einer unwirtlichen Gegend, seine eigene Frau verspeisen musste, erinnert sich plötzlich an diesen seltsamen, süßlichen Geschmack seiner geliebten Grete. Die schwarze Komödie „Dänische Delikatessen“ des dänischen Regisseurs und dogmaerfahrenen Drehbuchautors Anders Thomas Jensen (“Flickering Lights“) ist ein cineastisches Schlachtfest gesellschaftlicher Werte und zivilisatorischer Verbindlichkeiten. Grün ist eine immer wiederkehrende Farbe im Film. Der Originaltitel lautet „The Green Butchers“. Ein amüsanter Verweis auf den Science-Fiction-Thriller „Jahr 2022 - die überleben wollen“ aus dem Jahre 1973, in dem die Herstellung von „Soylent Green“, einer aus Menschenfleisch gewonnenen Oblate, die Lösung aller weltweiten Ernährungsprobleme war.

Dänische Delikatessen (Dänemark 2003) Start in: Bielefeld, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Münster

STEFAN ORTMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen