Thyssen sucht Käufer für 50.000 Wohnungen

Der Düsseldorfer Mischkonzern plant den Verkauf seiner Immobiliensparte. Konkrete Verhandlungen gibt es offenbar noch nicht, doch Mietervereine befürchten negative Folgen für Mieter und hoffen auf Hilfe der Landesregierung

RUHR taz ■ Nachdem schon der Essener Immobiliengigant Viterra rund 27.000 Wohnungen an den bayerischen Investor KGAL verkauft hat und auch die Immobiliengesellschaft Gagfah mitsamt ihrer 80.000 Wohnungen den Besitzer wechselte, plant jetzt auch ThyssenKrupp den Verkauf ihrer Immobiliensparte. Damit bleibt der Immobilienmarkt im Ruhrgebiet weiter stark in Bewegung – mit bisher unabsehbaren Folgen für Mieter und Kommunen.

Der Düsseldorfer Mutterkonzern ThyssenKrupp dementiert zwar, dass es bereits zu einer endgültigen Entscheidung über den Verkauf gekommen sei, räumt jedoch ein, dass man „seriösen Interessenten die Möglichkeit gegeben habe, ein Angebot abzugeben“. Begründet wird dies offiziell damit, dass man den Marktwert der Immobilien abschätzen möchte. Zu einem möglichen Käufer äußerte sich das Unternehmen nicht.

Weitere Nahrung erhalten die Spekulationen um den Verkauf jedoch durch eine Aussage des ThyssenKrupp Finanzvorstands Stefan Kirsten, der angekündigt hatte, dass sich der Konzern verstärkt von Beteiligungen trennen wolle, die nicht mehr zum Kerngeschäft des Unternehmens gehörten. Allerdings hatte die Immobiliensparte, die im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 345 Millionen Euro erwirtschaftete, bisher immer zum unantastbaren Kerngeschäft von ThyssenKrupp gezählt. Ein erwarteter Verkaufserlös von mehr als 1,5 Milliarden Euro könnte aber den Meinungsumschwung der Konzernleitung erklären.

ThyssenKrupp Immobilien besitzt insgesamt rund 50.000 Objekte, darunter vor allem Wohnungen und Grundstücke im Ruhrgebiet und am Niederrhein. Allein in Duisburg sind 21.000 Wohnungen im Besitz des Unternehmens. Der größte Teil der Immobilien diente ursprünglich als Werkswohnungen für Mitarbeiter von Thyssen und Krupp. Mittlerweile ist aber nur noch ein kleiner Teil des Wohnungsbestands an Werksangehörige vermietet.

Für die Mieter bedeutet der anstehende Verkauf vor allem Ungewissheit. Zwar rühmt sich ThyssenKrupp damit, den Käufer nach der so genannten „Best Owner“-Strategie auszuwählen, um so zu garantieren, dass der neue Eigentümer die Interessen der Betroffenen wahre. Doch Rainer Stücker vom Mieterverein Dortmund hält diese Ankündigung für eine leere Floskel: „Für die Mieter und Kommunen ist diese Entwicklung höchst problematisch. Es gibt von ThyssenKrupp keine konkreten Aussagen zum Mieterschutz.“ Zwar sei der Verhaltenskodex, der von der Landesregierung verabschiedet wurde und Wohnungsverkäufe sozialverträglicher gestalten soll, ein positives Zeichen. Doch der Kodex sei eben freiwillig. „Das ist nichts Handfestes“, so Stücker.

Langfristig, so befürchtet er, würden die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft. Da sich das aber viele Mieter nicht leisten könnten, müssten sozial schwache Menschen nach Jahren aus ihren Wohnungen ausziehen. Der Mieterverein hat deshalb angekündigt, mit der Landesregierung Gespräche aufzunehmen, um auf ThyssenKrupp politisch Druck auszuüben und den Konzern an seine „soziale Verantwortung“ zu erinnern.

Betroffen von den Wohnungsverkäufen sind auch die Kommunen. Die Umwandlung vieler Wohnungen in Eigentumswohnungen sowie die zu erwartenden höheren Mieten bedrohen die gewachsene Mieterstruktur der Stadtviertel. Kritiker der Verkaufswelle befürchten, dass auf diese Weise neue sozial schwache Problemviertel in den Städten entstehen. ULLA JASPER