der stadtentwicklungsplan verkehr (teil 11)
: Gütertransporte: Aus guten Erfahrungen wurde zu wenig gelernt

Erfolgreiche Baulogistik scheitert später am Unwillen der Investoren

Mit dem Stadtentwicklungsplan (StEP) Verkehr beginne ein „neues Verkehrszeitalter“, kündigte der Senat vollmundig vor einem Jahr an. Auf das Jahrzehnt der Restauration der Verkehrsinfrastruktur soll jetzt ein Jahrzehnt der „intelligenten Nutzung“ folgen. Experten, Planer und Kritiker diskutieren an dieser Stelle, immer freitags, über die Zukunft der Berliner Verkehrspolitik.

Gütertransporte in der Stadt? Nein danke! ,möchte man da rufen. Dennoch hat der Stadtentwicklungsplan Verkehr hinsichtlich des städtischen Güterverkehrs ehrgeizige Ziele – und viele Probleme: Zum einen ist die Datenlage zu Lkw und Transportern sehr viel dürftiger als im Personenverkehr, so dass Prognosen kaum möglich sind. Zum anderen gibt es noch keine wirklich überzeugende Idee, wie die urbane Logistik erfolgreich gesteuert werden könnte. Freie Fahrt für den „Wirtschaftsverkehr“ ist schließlich vermintes Gelände. Akteure wie die Industrie- und Handelskammer sorgen lautstark dafür, dass in dieser politischen Arena nichts anbrennt.

Wenn aber das Thema Güterverkehr in Berlin bemerkenswert ist, dann liegt dies an einigen außergewöhnlichen Ideen, die hier seit der Wende entwickelt und umgesetzt wurden. Was hatte die Planer so erfinderisch gemacht?

Erstens erzeugte der gewaltige Baubetrieb der 90er-Jahre in der Innenstadt erhebliche „Massenströme“. Eine planerische Steuerung – die Baulogistik – bahnte sich ihre Wege selbst. So wurde die Großbaustelle Potsdamer Platz per Bahn und Schiff ver- und entsorgt, Lkws durften nur per Avis die Baustelle ansteuern. Optimierte Transportketten, zügige Abwicklung und insgesamt verkürzte Bauzeiten waren der Lohn für dieses Arrangement, das die beteiligten Unternehmen in Eigenregie – also quasi zivilgesellschaftlich – umsetzten.

Zweitens setzte spätestens Mitte der 90er-Jahre eine starke Abwanderung von Handel und Gewerbe in den Speckgürtel ein. In einer Mischung aus „push“ und „pull“ wurden zahlreiche Unternehmen in drei große Güterverkehrszentren verlagert, in denen Betriebe konzentriert, Transportströme verlagert und Lieferverkehre gebündelt werden sollten.

Drittens wurden kooperative Modelle zur Verbesserung der Anliefersituation in stark befahrenen Geschäftsstraßen initiiert, so in der Neuköllner Karl-Marx- Straße oder in der Steglitzer Schloßstraße. Höhere Weihen erhielt die Berliner Logistik durch einen Lehrstuhl an der Technischen Universität, hier sollte die hiesige Region zur Weltstadt der Logistikkompetenz gemacht werden. Der StEP Verkehr hat sich diesen Erfahrungshorizont lediglich zu Eigen gemacht – und baut darauf auf. Hinzu kommen ein Programm zur Bestandssicherung von Güterbahnen, das Hafenkonzept und ein Lkw-Führungsnetz. Dies alles hebt den StEP positiv von vergleichbaren Planwerken ab, in denen erst mal nichts als der gute Wille dokumentiert ist. Berlin ist in dieser Hinsicht klüger.

Doch damit ist keines der Probleme gelöst. So überdauerte die erfolgreiche Baulogistik die Baustelle am Lehrter Bahnhof nicht. Sie scheiterte am Unwillen der Investoren (u. a. der Deutschen Bahn), sich gewissen logistischen Spielregeln unterzuordnen. Bei der nächsten Großbaustelle am Alexanderplatz schaffte es dieses Thema nicht mal mehr auf die Agenda.

Zudem ist der tatsächliche Beitrag der drei Güterverkehrszentren zur Entlastung verschwindend gering. Zum einen weil die Beteiligung der Bahn weiterhin gering ist, zum anderen weil die Wege zu lang sind. Manch Berliner Spediteur sitzt lieber in Tempelhof statt in Großbeeren. Die Herausforderung an den StEP ist also nicht, völlig neue Lösungen zu suchen, sondern die vorhandenen zu überprüfen und zu verstetigen, damit Anspruch und Realität des Plans übereinkommen.

Auf der Agenda steht auch die elementare Pflicht zur Gefahrenabwehr: Eine Minderung der vielen Lkw-Unfälle ist dringend. Schließlich ist in Berlin wie anderenorts zu klären, ob der Güterverkehr nicht ein strukturelles Problem darstellt, das vor Ort kaum lösbar ist: wegen der Globalisierung der Transportketten und der Banalisierung der Transportkosten. Käme die Lkw-Maut, stünden die Chancen indes schon besser. Dann könnten sich Verkehrsplaner und Logistikvisionäre zu einem kreativen Milieu vereinen, das an die praktische Umsetzung geht.

MARKUS HESSE

Der Autor ist Stadtforscher an der FU Berlin und war Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des StEP Verkehr.