„Pferde sehen das kühl“

Gespräch mit dem Schimmel Ringwood Cockatoo, der mit seiner Partnerin Bettina „Tinchen“ Hoy zwei Goldmedaillen in der Disziplin Vielseitigkeit für das deutsche Olympiateam gewonnen hat

INTERVIEW FRANK KETTERER

taz: Herr Cockatoo, stört es Sie eigentlich, dass Deutschland ausgerechnet im Pferdequälen zweimal Gold gewonnen hat?

Ringwood Cockatoo: Nun ja, ich sach mal, das ist von Pferd zu Pferd verschieden. Mir persönlich gefällt es ganz gut, hin und wieder ein bisschen gequält zu werden. Uns Pferden geht es ja sowieso viel zu gut: den ganzen Tag faul auf der Weide herumstehen, Gras fressen und ab und zu von ein paar Hausfrauen ausgeritten zu werden, das ist doch nichts für echte Kerle. Also, ich persönlich liebe Military. Deswegen habe ich mich auch der Sportfördergruppe der Bundeswehr angeschlossen. Im Übrigen ist das hier in Athen ja nur eine Light-Version unseres Sports.

Wie meinen Sie das?

1968 zum Beispiel, bei den Spielen in Mexiko, da mussten meine Vorfahren noch durch einen reißenden Strom reiten – das war doch was. Und in Sydney war zumindest die Geländestrecke länger. Hier in Athen waren es gerade mal fünfeinhalb Kilometer. Lächerlich. Die wollen einen Weicheier-Sport aus unserer schönen Military machen, nur um nicht aus dem Olympischen Programm gestrichen zu werden. Sogar den Namen haben sie geändert. Vielseitigkeit, wie das schon klingt?

Dennoch musste Ihr belgischer Kollege Over and over nach einem Sturz eingeschläfert werden.

Ach wissen Sie, der Tod reitet doch immer mit. Da heißt es dann eben: Dabei sein war alles! So ist das Geschäft – und jeder weiß das. Im Übrigen kann ich mich da nur Hanfried Haring anschließen, so ein hohes Tier beim Weltreiterverband. „Es ist schade um das Pferd, aber solche Stürze können auch bei normalen Ausritten passieren.“ Das ist genau meine Meinung. Gilt übrigens auch für die Reiter. Ohne Risiko macht das Pferdeleben doch keinen Spaß. Außerdem schien mir Over and over nicht richtig austrainiert, er war ja Amateur.

Olympia wurde schließlich für Amateure gemacht.

Gestatten Sie, dass ich da laut wiehere. Das ist doch Quatsch. Hafer von gestern.

Sie haben überhaupt kein Mitleid mit dem verstorbenen Kollegen?

Nein, da bin ich durch und durch Profi.

Ihrem Team wurde die Goldmedaille erst aberkannt, dann doch gegeben. Hat Sie das sehr viele Nerven gekostet?

Wo denken Sie hin. Menschen können sich über solche Dinge immer fürchterlich aufregen, die machen sich da manchmal fast in die Reiterhosen. Wir Pferde sehen das eher kühl.

Wie konnte es zu dem Durcheinander kommen?

Beim abschließenden Springreiten soll es angeblich einen Regelverstoß gegeben haben. Aber das war nicht so, ich kenne die Regeln und ich habe aufgepasst.

Was heißt, Sie haben aufgepasst?

Dazu möchte ich nichts sagen.

Los, nun nennen Sie schon Ross und Reiter!

Also gut: Als ich mit Tinchen – so nenne ich meine Partnerin Bettina Hoy, die ich zu Doppelgold geführt habe – beim Springreiten losgelaufen bin, hat es beim ersten Überqueren der Startlinie die elektronische Zeitmessung nicht ausgelöst. Im Gegensatz zu Tina, die manchmal sehr nervös ist und etwas fahrig, habe ich das sofort gemerkt. Und habe deshalb eine Volte geschlagen und bin noch mal über die Startlinie gegangen. Diesmal ist die Zeitmessung losgegangen. Sie sehen also: Es ging alles mit rechten Dingen zu.

Die Menschen haben für den Olympiasieg Gold bekommen. Was gab es für Sie?

Ich kann ihnen verraten, die Lorbeerkränze schmecken schrecklich.

Haben Sie denn wenigstens kräftig gefeiert?

Leider nein. Als wir nach unserem Wettkampf zum Deutschen Haus geritten sind, wo die Sportler ihre Medaillen feiern, hat man nur die Menschen reingelassen. Wir Pferde mussten draußen bleiben.

Wieso denn das?

Das BKA, das das Deutsche Haus bewacht und zu einem Hochsicherheitstrakt gemacht hat, nimmt als Einlasskontrolle einen Fingerprint. Da gab es unüberwindbare Probleme, leider.

Auch bei der Siegerehrung hat man immer nur die Reiter gesehen. Stört Sie das?

Ach, wir im Stall wissen ja Bescheid. Der Rest ist mir ziemlich egal. Außerdem hat man als Pferd so seine Mittel, die Bedeutung seiner Mitarbeit immer mal wieder in den Vordergrund zu stellen.

Wie meinen Sie das?

Das ist ein Betriebsgeheimnis. Ich will da nicht ins Detail gehen. Nur so viel: Reiter haben es nicht gerne, wenn Sie vor so viel Publikum absteigen müssen. Ich habe da echt schon Reiter vor der Apotheke kotzen sehen.

Herr Cockatoo, welche der drei Disziplinen gefällt Ihnen denn persönlich am besten?

Da ich von meinem Naturell her auf die harten Dinge stehe, jage ich am liebsten durchs Gelände. Mit der Dressur habe ich es weniger, die finde ich ziemlich affig, ein Stutensport eben. Das Springreiten ist ganz in Ordnung.

Herr Cockatoo, gestatten Sie uns noch eine letzte Frage: Was halten Sie von Black Beauty?

Das ist natürlich eine Legende. In einem Atemzug zu nennen mit Rusty, Gigolo, Iltschi und Flipper.

Bringen Sie da nicht etwas durcheinander?

Kann sein, das tu ich immer, wenn mich der Hafer sticht.

Vielen Dank Herr Cockatoo. Und wie man in Ihrem Sport so sagt: Quäl dich, du Gaul!