Schweden votiert gegen den Euro

Ministerpräsident Persson gesteht die größte Niederlage eines schwedischen Regierungschefs ein. Vor allem Frauen und junge Leute stimmen gegen die Währung. Die Schweden fürchteten, der Euro könnte ihr Land politisch und ökonomisch fesseln

aus Stockholm REINHARD WOLFF

„Das ist die größte Niederlage, die ein schwedischer Ministerpräsident je erlitten hat.“ Göran Persson gestand sie unumwunden ein. Das Ergebnis von 56 zu 42 Prozent war eine unerwartet deutliche Schlappe. Persson und 80 Prozent der Parlamentsabgeordneten konnten keine Mehrheit für eine Entscheidung bekommen, die vom Ministerpräsidenten selbst als „der wichtigste Beschluss unserer Zeit“ bezeichnet worden war. Und die sie als erforderlich für Schwedens zukünftige positive Weiterentwicklung ansahen.

Doch die Stimmung in Schweden stand dagegen: Eine Mischung aus Euroskepsis und Distanz zur EU verbunden mit Unzufriedenheit über Perssons Regierung gaben den Ausschlag für das „Nein“. Um drei Dinge sorgten sich die Neinsager dabei besonders: Um ihre Demokratie, die nationale Selbstständigkeit und die Zukunft des Sozialsystems. Angesichts solcher Bedenken hat eine Europäische Union, die mehr sein will als ein lockerer Staatenbund keine guten Karten. Und eine gemeinschaftliche Währung erst recht nicht.

In dem knappen Jahrzehnt seit Schweden mit dünner Mehrgeit „Ja“ zur EU sagte, haben es Brüssel und die EU geschafft, sich in weiten Kreisen der Bevölkerung als Synonym für mangelnde demokratische Einflussmöglichkeiten, im Zweifel weltfremde Entscheidungen zu etablieren. 42 Prozent des Euro-Neins würde am liebsten wieder ganz aus der EU austreten. Dennoch vergaß Persson nicht, auch den Euro-Ländern eine Mitschuld zu geben. „Es wäre sicher schön gewesen, wenn wir es bei dieser Abstimmung mit einer etwas positiveren Umgebung zu tun gehabt hätten.“ Gemeint sind natürlich Frankreich und Deutschland und ihr laxer Umgang mit dem Defizitkritierium.

Im Unterschied zur Stimmungslage beim EU-Eintritt stärkten diesmal etablierte Volkswirtschaftler und als Autoritäten verstandene ehemalige Nationalbankdirektoren die Zweifler – und lieferten Argument an Argument, warum die Schweden bei einem Währungstausch eigentlich nur verlieren würden. Vor allem die, welche ein gut ausgebautes Sozialsystem am nötigsten brauchen.

Die Gewerkschaften hatten sich nach langem Hin und Her auf eine positive Haltung zum Euro-Abenteuer eingelassen, nachdem sie mit der Regierung die Schaffung eines speziellen „Überschusstopfs“ im Staatshaushalt vereinbart hatten. Darin sollte ein fester Teil der Staatsfinanzen – 0,5 Prozent – allein für Interventionen reserviert werden. Indirekt hätte dies die Einführung einer Art „Euro-Steuer“ bedeutet oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ziel: Nach dem Wegfall der eigenen Zinspolitik wollte man eine Manövriermasse haben, um im Wirtschaftsabschwung entweder Löcher im Sozialbudget stopfen oder Arbeitgeberabgaben zeitweise senken zu können.

Das dahinterstehende Eingeständnis war nicht zu übersehen: Auch die Jasager befürchteten, dass der Euro dem Land jene Fesseln anlegen würde, welche die Neinseite in lauten Tönen beschwor. In dieser Situation entschieden sich die meisten Schweden, „erst mal abzuwarten“.

Die viel beschworene Vision vom geeinten Europa hatte gegen diese Skepsis keine Chance. Was dabei am meisten verwundert, ist, dass auch die Jungwähler skeptisch blieben. Die 18 bis 21-Jährigen entschieden sich mit einer Zweidrittelmehrheit gegen eine gemeinsame Währung. Die Frauen erwiesen sich mit ihren 58 Prozent für ein Nein als die eigentlichen Euro-Skeptikerinnen. Die Männer stimmten dagegen knapp dafür. Geteilt ist das Land auch geografisch. Nur in der Hauptstadt Stockholm und in der südlichsten Provinz Schonen war eine Mehrheit für den Euro. In armen nordschwedischen Gemeinden sackte die Zustimmung auf bis zu 10 Prozent ab. Von dort ist es auch in Kilometern gerechnet am weitesten bis nach Brüssel.

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