: Die Gesundheit passend machen
Friesland ganz privat: Die öffentliche Hand verwandelt ihre Krankenhäuser in GmbHs. Wir müssen ja flexibel bleiben, sagen die Geschäftsführer
aus EmdenThomas Schumacher
Rein militärisch gesehen ist die Gesundheitsreform für das Ammerländer Krankenhaus in Westerstede ein Schnäppchen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Reinhold Robbe (SPD), machte sich für eine Zusammenlegung der Westersteder Klinik mit dem Bundeswehrkrankenhaus Bad Zwischenahn stark. Nun wird das Haus in Bad Zwischenahn geschlossen und geht im Tritt nach Westerstede.
Emden, Norden, Aurich, Weener, Wilhelmshaven, Wittmund, Leer und Sande kämpfen seitdem um „Augenhöhe“ mit Westerstede. Unabhängig von der medizinischen Qualität muss jedes Haus Kooperationspartner suchen. Bei den Trägern läuft diese Operation unter dem Codenamen Marktanpassung und bedeutet: Privatisierung. Fast alle Kliniken werden derzeit von kommunalen Eigenbetrieben in GmbHs oder gemeinnützige GmbHs umgewandelt.
Die Träger begründen diese Privatisierung mit der Notwendigkeit, ihre Kliniken flexibel und Markt orientiert als Wirtschaftsbetriebe führen zu können. „Eine Veränderung der Rechtsform zieht eine Veränderung der Betriebsphilosophie nach sich“, so drückt das der stellvertretende Geschäftsführer der Friesland Klinik Sanderbusch, Karlheinz van Heuvelen, aus.„Wir stehen vor der Frage, sollen wir den Besitzstand unserer Betriebsangehörigen wahren und neue MitarbeiterInnen bluten lassen? Oder sollen alle Beschäftigten die Veränderung mittragen?“ Die reagieren verängstigt: „Wir sind verunsichert“, so eine Krankenhausangestellte. „Viele wissen nicht, welche Konsequenzen die Privatisierung haben wird.“
Bis auf das Krankenhaus in Weener – dort tritt die bundesweit agierende Pergamon-Management GmbH als Träger auf –bleibt überall Landkreis oder die Stadt alleiniger Gesellschafter der gGmbH. Der Trick dabei: das jeweilige Krankenhaus kann sich – anders als die öffentliche Hand – von Tarifverträgen und Gewerkschaften abkoppeln.
Flexibilität nennen die Geschäftsführer das. Die ermöglicht, Leute zu feuern, Löhne zu drücken, Zulagen zu streichen – oder eben „nach Leistung zu bezahlen“. Nur weiß niemand so genau, was „nach Leistung bezahlen“ im Krankenhaus bedeuten könnte. „Chefärzte entscheiden, was Leistung heißt“, befürchten manche einen Rückfall in Günstlingswirtschaft.
Vertrackt ist die Situation in Leer und Wilhelmshaven. Dort gibt es je ein konfessionelles und ein öffentliches Krankenhaus. In Leer will das katholische Borromäus Krankenhaus seinen „religiösen Geist“ gewahrt wissen und schlägt Kooperationsangebote des Kreiskrankenhauses aus.
Der „religiöse Geist“ beschränkt sich indes auf einen Punkt: Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode wollte lediglich keinerlei Schwangerschaftsabbrüche dulden – einschließlich der geseztlich zugelassenen. Dabei hatte der Kreis die rechtlichen Vorraussetzung für eine Kooperation schon geschaffen: Seit Juli ist die kommunale Klinik eine gGmbH.
Komplizierter noch die Situation in Wilhelmshaven: Auch dort war eine Kooperation von städtischer Klinik und konfessionellem Sankt Willehad Hospital unmöglich. „Außerdem haben wir uns geweigert, in eine gGmbH übernommen zu werden“, sagt Personalrat Heiner Dieckmann.
Die Stadt hat die Privatisierung dennoch vollzogen: Jetzt hat Wilhelmshaven kein kommunales Krankenhaus mehr, aber 1.350 Krankenhaus- und Altenheimangestellte. Die leiht sie an die Krankenhaus- und an die Altenheim-gGmbH aus. Neueinstellungen nehmen hingegen die Träger-Gesellschaften vor – tarifunabhängig: Gleiche Arbeit, ungleicher Lohn.
Zugleich hat Wilhelmshaven eine „strategische Allianz“ mit den etwa 15 Kilometer entfernten Friesland Kliniken Sanderbusch, die der Landkreis gerade in eine gGmbH umwandelt. Als Anfang des Jahres die Bettenbelegung „nicht so optimal“ war, verordnete die Geschäftsleitung der Klinik einigen Angestellten reduzierte Arbeitszeiten.
Ein Verfahren, das der Chef der regionalen verdi-Gewerkschaft Ralf Pollmann für „rechtswidrig“ hält: „Der Betriebsrat wurde nicht informiert.“ Als dann im Juli die Bettenbelegung wieder stieg, glich man die Angestellten-Bezüge keineswegs der günstigeren ökonomischen Situation an. Aus der strategisch-alliierten Klinik in Wilhelmshaven lieh sich Sanderbusch Arbeitskräfte aus. Dazu van Heuvelen: „Ich gebe zu, das hat den Personalrat irritiert. Aber“, so der Chef der Friesland Klinik weiter, „wir müssen flexibel bleiben.“ Jetzt soll das Verwaltungsgericht Oldenburg die Angelegenheit klären.
„Am Liebsten wäre uns eine flächendeckende Kooperation aller Häuser in ganz Ostfriesland und Wilhelmshaven bei einer generellen tariflichen Absicherung aller Angestellten, angelehnt an die jetzt geltenden Flächentarife“, fordert verdi-Chef Pollmann. Eine Studie der Uni Emden kommt zum selben Schluss. Nur fehlt dieser Lösung die politische Unterstützung: Im Gegensatz zum Oberbürgermeister von Emden, Alwin Brinkmann, haben die Landräte sie durchweg abgelehnt. „Das ist die ostfriesische Krankheit, jeder wurstelt vor sich hin und will nichts abgeben“, lässt sich ein Politiker vernehmen – aber nur unter dem Siegel der Anonymität.
Emden und Leer sind – ohne förmlichen Zusammenschluss – in der medizinischen Kooperation am weitesten: Die Kinderabteilung des Susemihl Krankenhaus Emden wird ab dem 1. Januar 2005 von Leer aus als eine Abteilung mit einem Chefarzt gemanagt. Im Gegenzug organisiert Emden die Radiologie für das Kreiskrankenhaus Leer.
Der Landkreis Aurich hat seine beiden Häuser in Norden und Aurich zum Verbund „Ubbo Emmius Klinik – Ostfriesisches Krankenhaus“ zusammengelegt. „Wir vereinheitlichen zunächst nur die Verwaltung“, erklärt Landkreis-Sprecher Manfred Galka. Die medizinischen Bereiche würden bestehen bleiben wie bisher – bis auf die Gynäkologie, die nach Aurich verlegt werden soll. Zur Zeit wird die Ubo Emmius Klinik in eine gGmbH umgewandelt. Galka: „An betriebliche Kündigungen denken wir aber nicht.“
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