Alles aus – oder?

Die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis. Doch damit ist nicht alles zu Ende: Form und Inhalt der Entlassung können vom Arbeitsgericht überprüft werden. Und meistens gibt‘s dann den bisher nicht gezahlten Lohn, eventuell sogar eine Abfindung

von Peggy Wolf

In der Mittagspause muss Zimmermann Sven Hagemeister (29) zum Chef. Der, Inhaber einer Baufirma mit 15 Angestellten, teilt ihm mit, Hagemeister darf sich ab sofort im Urlaub fühlen und in vier Wochen eine Nummer beim Arbeitsamt ziehen. Die Firma hat zu wenig Aufträge. Nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit verlässt Hagemeister nun völlig aufgelöst den Betrieb und fragt nicht mal mehr nach den Papieren.

„Über fast jede Entlassung lässt sich streiten“, sagt Birgit Eggers, Anwältin für Arbeitsrecht. Ist die Kündigung erfolgt, sollte der erste Weg der zum Arbeitsamt sein und „der zweite zum Anwalt oder zur Öffentlichen Rechtsauskunft, um prüfen zu lassen, ob die Entlassung rechtmäßig ist“. In der Juristensprache heißt das: eine Kündigungsschutzklage einreichen. Das allerdings muss spätestens drei Wochen nach Erhalt des Entlassungsbriefes geschehen sein. „Danach ist eine Kündigung nie mehr anfechtbar“, warnt Eggers.

Eine Kündigung muss auf Papier stehen

Kein Chef darf heute mehr kündigen wie, wem und wann er will. Es fängt bei der Form an. Wer per Mail, Fax, SMS oder nur mündlich erfährt, dass er entlassen ist, bleibt angestellt. Eine Kündigung muss auf Papier stehen und vom Chef unterschrieben sein. „Oder von jemandem, der dafür eine Vollmacht hat, die Sekretärin zum Beispiel“, so Eggers. Den Grund für die Entlassung braucht kein Chef zu nennen, haben muss er ihn aber. Baut er Stellen ab, weil beispielsweise die Aufträge fehlen, darf er „betriebsbedingt“ kündigen. Hat ein Angestellter zum Beispiel den Chef beleidigt oder gar Geld aus der Firmenkasse geklaut, so Eggers, „wird er verhaltensbedingt entlassen. Und personenbedingt, wenn beispielsweise jemand länger als zwei Jahre immer nur krank war.“ Schwangeren hingegen kann nicht gekündigt werden. Auch Betriebsratsmitglieder und Schwerbehinderte haben einen besonderen Kündigungsschutz. Eggers: „Der Jurist sagt dazu: Eine Entlassung muss ansonsten sozial gerechtfertigt sein.“

Gegen die Entlassung kann je-der beim Arbeitsgericht klagen (in Hamburg: Osterbekstraße 96, Service-Telefon: 428 63-58 52). Geschulte Mitarbeiter, Rechtspfleger genannt, helfen dabei – kostenlos. Eine Rechtsberatung gibt es dort aber nicht. Dafür gibt es Anwälte, die „Öffentliche Rechtsauskunft – ÖRA“ (Holstenwall 6, ☎ 428 43-30 71/30 72, Montag bis Freitag 8 bis 13 Uhr) oder, für Gewerkschaftmitglieder, den im Beitrag enthaltenen gewerkschaftlichen Rechtschutz. Bei der ÖRA arbeiten Richter und Anwälte ehrenamtlich. Die Beratung kostet 10 Euro – Arbeitslose zahlen die Hälfte –, und beinhaltet alle Gespräche, die bis zum Abschluss einer Sache nötig sind. (www.oera.hamburg.de). Kleiner Haken: die ÖRA-Berater dürfen niemanden vor Gericht vertreten. Anwälte vermittelt beispielsweise die Rechtsanwaltskammer (☎ 35 74 41-0, www.rechtsanwaltskammerhamburg.de), der Hamburgische Anwaltverein (☎ 61 16 35-0, www.havev.de).

Den Prozess vor Gericht bezahlt, wer ihn verliert

Vor Gericht wird nicht nur die Klage gegen die Kündigung verhandelt, sondern auch noch ausstehender Lohn, Geld für nicht genommenen Urlaub, fehlende Unterlagen wie Lohnsteuerkarte, Arbeitsbescheinigung oder das Arbeitszeugnis, in dem alle ausgeübten Tätigkeiten genannt und, so Eggers, „wohlwollend im Hinblick auf eine künftige Bewerbung bewertet sein müssen“.

Was kostet das alles? Den Pro-zess vor dem Arbeitsgericht bezahlt, wer ihn verliert. „Nie jedoch mehr als 500 Euro. Das ist gesetzlich so geregelt.“ Der Verlierer muss, im Gegensatz zu Zivilprozessen, nicht noch die Kosten des Gegners übernehmen. Stattdessen zahlt jede Partei aber noch den eigenen Anwalt, sofern dieser für die Vertretung vor Gericht nötig war. „Dessen Preis richtet sich nach dem Wert des Rechtsstreits. Die Höhe ist in Tabellen festgelegt“, erläuert Eggers. Eine Kündigungsschutzklage ist drei Bruttomonatsgehälter wert. Bei einem Bruttoverdienst von 2000 Euro im Monat wären – ohne Beweisaufnahme – für den Anwalt 700 Euro fällig. Verdient jemand nichts, kann er mit seinem Anwalt eine Übernahme der Gerichtskosten, die so genannte Prozesskostenhilfe, beantragen. Bei Gewerkschaftsmitgliedern übernimmt die Gewerkschaft alle Kosten.

Sven Hagemeister wusste von all dem nichts. Er könnte heute noch angestellt sein, denn seine Kündigung kam nicht schriftlich – und war damit nie gültig. Geklagt hat er dagegen nie. Heute bekommt er 176 Euro Arbeitslosengeld pro Woche. Eine neue Stelle hat er bisher nicht in Aussicht.