Die Kralle wankt

Senat schwenkt um: Musikhalle im Kaispeicher A wird geprüft. Media-City-Port mit Hochhaus muss wegen Marktlage ohnehin verändert werden

Medienstadt unter einem Dach aus der Zeit des New-Economy-Booms

von GERNOT KNÖDLER

Der kühn-klotzige, denkmalgeschützte Kaispeicher A hat jetzt doch eine Chance, erhalten zu werden. Wie der Senat gestern mitteilte, will er prüfen lassen, ob das Lagerhaus in eine Musikhalle umgebaut werden könnte, wie es der Architekt Alexander Gérard vorgeschlagen hat. Vor dreieinhalb Wochen hatte sich ein Dutzend prominenter Architekten für diese Idee eingesetzt.

Das weithin sichtbare Backstein-Gebäude am Eingang der Speicherstadt, dessen Stirn noch vor einigen Jahren den HHLA-Schriftzug trug, sollte bis dato abgerissen und durch einen „Media-City-Port“ ersetzt werden – eine „multifunktionelle Medienstadt unter einem Dach“ für gut 150 Millionen Euro. Das Konzept dafür stammt aus der Zeit des New-Economy-Booms und sah eine Rundum-Betreuung der Medienschaffenden vor: von der privaten Medien-Akademie über Studios zum Kindergarten.

Mit dem Bau hätte im Frühjahr 2002 begonnen werden sollen. Der alte Speicher wäre abgerissen und in seinen Umrissen neu aufgebaut worden. An seiner Ostkante hätte sich ein gläsernes, im oberen Drittel abknickendes Hochhaus erhoben.

Diese Pläne würden weiterverfolgt, versichert Susanne Bühler von der städtischen Entwicklungsgesellschaft für die Hafencity, GHS. Ende Juni ist die Anhandgabe des Grundstücks an die Investoren, Banken und Immobilienfirmen vom Januar 2001 ausgelaufen. Über eine Neuauflage entscheide die Senatskommission für Bodenordnung, heißt es bei der Senatskanzlei. „Vor dem Hintergrund, dass das Nutzungskonzept des Kaispeichers A für ein medienbezogenes Projekt wegen der Marktlage ohnehin verändert werden muss, hat der Erste Bürgermeister Ole von Beust die GHS jetzt darum gebeten, auch ein Konzerthallenkonzept nach den Vorschlägen des Architekten Alexander Gérard in die laufenden Überlegungen einzubeziehen“, teilte sie mit.

Der Projektentwickler Gérard war im Juni mit Plänen der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron an die Öffentlichkeit getreten, den Speicher mit einem zipfeligen Überbau von 35 auf bis zu 96 Meter Höhe aufzustocken und auf diese Weise ein kulturelles Wahrzeichen nach dem Vorbild der Oper von Sydney zu schaffen. Er sieht ein Promenadendeck in 35 Meter Höhe vor, Konzertsäle, die den Platzmangel der heutigen Musikhalle vergessen machen sollen, und ein Nobelhotel.

Die GHS hatte diesen Plan bisher abgelehnt mit dem Argument, sie brauche die Musikhalle um einen starken kulturellen Magneten im Überseequartier am Ausgang des Magdeburger Hafens schaffen zu können. Das schlanke Hochhaus auf dem Speicher würde das angrenzende Wohnquartier weniger stark verschatten als eine Aufstockung über die gesamte Breite.