nebensachen aus peking: Zeitgemäße Modernisierung: „Happy End“ für Chinas öffentliche Toiletten
„China braucht eine Toilettenrevolution!“, riefen in den Achtzigerjahren die Pekinger Parteiführer, nachdem sie die öffentlichen Klos der Hauptstadt inspiziert hatten. Die Besichtigung hatte Trauriges zutage gebracht, denn die Besucher hockten meist ohne Trennwände nebeneinander auf rohem Betonboden über einem Loch – ohne Wasserspülung und neben Bergen von benutztem Toilettenpapier.
Seither hat es in der chinesischen Hauptstadt so manche Hygienekampagne gegeben. Doch noch immer zählt der Besuch eines öffentlichen Klos zu den gefürchtetsten Momenten des Alltags. Die Örtlichkeiten sind leicht zu finden, da ein unverwechselbar garstiger Geruch den Weg dorthin weist.
Vier Jahre bevor Peking im neuen Glanz für die Olympischen Spiele 2008 bereitstehen soll, will die Regierung nun ernsthaft die Toiletten der Stadt revolutionieren. Allein in diesem Jahr werden, wie ein Stadtfunktionär ankündigte, 400 öffentliche Toiletten für 100 Millionen Yuan (mehr als 10 Millionen Euro) neu gebaut oder saniert. Jede erhalte Toilettenpapier, Seife, Handtrockner und sogar Rampen für Rollstuhlfahrer. Toilettenwärter sollen auf Sauberkeit und „gute Verwaltung“ achten.
Wie ernst es die Regierung meint, kann die internationale Öffentlichkeit spätestens beim Welt-Toilettengipfel im kommenden November beobachten, wo die neuesten Informationen über Sanitärtechnologien erhältlich sind. Die Konferenz hatte im Jahr 2001 in Singapur Premiere. Hier wird Sauberkeit scharf kontrolliert und ein Toilettenverstoß besonders hart bestraft.
Im Gegensatz zu anderen asiatischen Ländern tun sich die Chinesen mit der öffentlichen Toilettenhygiene noch schwer. Mancher Tourist versucht deshalb verzweifelt, mit seinem Geschäft zu warten, bis er ins Hotel zurückgekehrt ist. Was die Angelegenheit für viele noch komplizierter macht, ist, dass es keine Sitzschüsseln gibt. In den meisten chinesischen Dörfern gibt es nur Gemeinschaftsklos. Viele der alten Hofhäuser der Metropole besitzen ebenfalls keine eigenen Toiletten. In den traditionellen Hutong-Vierteln fungieren die öffentlichen Toilettengebäude bis heute als nachbarschaftliche Zwangsbegegnungsstelle. Deshalb verteidigen Pekinger Funktionäre den massiven Abriss der traditionellen Stadtviertel gern damit, dass die Bürger eigene Badezimmer brauchen und daher bevorzugt in modernen Hochhäusern wohnen wollen.
Allerdings treibt die Abrisswut der mit lokalen Politikern verquickten Immobilienfirmen in Peking inzwischen nicht nur Denkmalschützer und Hauseigentümer auf die Barrikaden: Touristen und Taxifahrer beschweren sich, dass sie mit dem Verschwinden der Gemeinschaftstoiletten nicht mehr wissen, wohin für die „kleine Bequemlichkeit“ oder die „große Bequemlichkeit“. Von ursprünglich rund 7.700 öffentlichen Klos in Peking bleiben voraussichtlich weniger als 5.000 bestehen.
Selbst die hohe Kultur beschäftigt sich inzwischen mit der Beziehung der Chinesen zum Klo. So stehen im Mittelpunkt eines Bühnenstücks von Guo Shixing ein Toilettenwärter und seine Stammkunden in den vergangenen dreißig Jahren, vom Klassenkampf und der Kulturrevolution bis zum neuen wilden Kapitalismus. Das in den vergangenen Wochen im Pekinger Tianqiao-Theater gespielte Stück mit dem schlichten Titel „Toilette“ stellt am Ende auch die Frage nach den Folgen der Toilettenrevolution. „Ein Volk, das zusammen scheißen kann, ist ein Volk, das zusammenhält“, ruft eine Stimme im letzten Akt. „Getrenntes Scheißen macht eine zivilisierte Nation aus!“, ruft eine andere, bevor sich die Schauspieler verneigen und auf weiß glänzenden Porzellanschüsseln Platz nehmen. JUTTA LIETSCH
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