Kinder haften nicht mehr für ihre Eltern

Arbeitslosengeld II: Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger müssen nicht von Angehörigen unterstützt werden

BERLIN taz ■ Nicht für alle Betroffenen wird die Welt schlechter, wenn ab Juli nächsten Jahres das Arbeitslosengeld II eingeführt wird. Joblose Erwerbsfähige, die bisher Sozialhilfe bekommen, werden nach den Plänen von Rot-Grün sogar besser gestellt. So sollen die Ämter künftig nicht mehr an die Eltern oder Kinder Hilfebedürftiger herantreten, um von diesen Unterhalt zu fordern. „Das ist für diese Leistungsempfänger eine deutliche Verbesserung“, sagte Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen.

Wie Kurth berichtete, hätten sich die Grünen- und die SPD-Fraktion darauf geeinigt, die bisherige wechselseitige Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern in der Sozialhilfe nicht auf die Empfänger des Arbeitslosengelds II zu übertragen. In der Sozialhilfe werden Eltern und Kinder bisher zum Unterhalt herangezogen, es sei denn, der Empfänger ist älter als 65 Jahre. Diese Heranziehung der Verwandten gilt Armutsforschern als ein Grund, warum viele Berechtigte keine Sozialhilfe beantragen.

In der bisherigen Arbeitslosenhilfe allerdings müssen Eltern oder Kinder nicht für ihre langzeitarbeitslosen Verwandten mitzahlen. Da die Arbeitslosen- und Sozialhilfe vom Juli nächsten Jahres an zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt wird, stellte sich die Frage, wie mit der Unterhaltsverpflichtung unter Verwandten künftig verfahren wird. Der Entwurf zum vierten Hartz-Gesetz sah bisher vor, dass alte Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern auch beim neuen Arbeitslosengeld II gelten. Dies soll nun gekippt werden. Übersteht die Einigung der rot-grünen Koalition das Zustimmungsverfahren im Unions-dominierten Bundesrat, werden tausende von Angehörigen erwerbsfähiger Sozialhilfeempfänger künftig aus der Unterhaltspflicht entlassen.

Nach bisherigen Berechnungen bekommen ab Mitte nächsten Jahres ungefähr 800.000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger und ihre Familienangehörigen Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II. Als „erwerbsfähig“ sollen jene Sozialhilfeempfänger gelten, die mindestens 3 Stunden am Tag arbeiten können. Das Arbeitslosengeld II beinhaltet die Erstattung von Wohnkosten und einen Haushaltsregelsatz, der für einen Alleinstehenden im Westen monatlich bei 345 Euro, im Osten bei 331 Euro liegt.

Während sich bisherige Sozialhilfeempfänger mit dem Arbeitslosengeld II etwas besser stehen, ist das Gesetz für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe eine große Verschlechterung: Sie bekommen nur noch eine Leistung in Höhe der Sozialhilfe, zudem wird das Partnereinkommen strenger angerechnet.

BARBARA DRIBBUSCH