Lahme Lokomotive

Widersprüchliche Entwicklungen in Altona: Bahnhof wird wenigstens umgebaut, dafür zieht das Finanzamt womöglich nach Lokstedt

Ohne den Bahnhof wird es nicht gelingen, die Große Bergstraße zu stärken

von GERNOT KNÖDLER

Die Zukunft des Altonaer Bahnhofs wird zwei Nummern weniger schick als geplant: Statt eines Neubaus wird das existierende 70er-Jahre-Monstrum innen modernisiert und außen ergänzt. Bezirk und Investor hoffen dennoch, dass das darbende Einkaufszentrum Altona jenseits der Max-Brauer-Allee mit Hilfe des neuen Einkaufsbahnhofs Anschluss an die boomende Ottenser Haupstraße findet. Pläne der Finanzbehörde, das Altonaer Finanzamt im Wege einer Fusion aufzulösen, würden das konterkarieren, findet die SPD. Altona habe unter der Bezirkskoalition von CDU, Schill-Partei und FDP ohnehin seine Rolle als „Lokomotive des Strukturwandels“ eingebüßt. Den rechten Bezirkspolitikern fehle es an Einfluss in Senat und Bürgerschaft, was zu einem Stillstand bei vielen Projekten geführt habe.

Vor drei Jahren bereits hatte das Bezirksamt das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs für den Bahnhof vorgestellt. Der Siegerentwurf aber scherte sich nicht um die statischen Gegebenheiten des Baugrundstücks über dem S-Bahnhof. Der beste realisierbare Entwurf war in vieler Augen so hässlich, dass er den Aufwand nicht gelohnt hätte.

Jetzt bleibt vieles beim Alten: Die Firma B&L-Immobilien will den ehemaligen Kaufhof, der die Hälfte des Bahnhofskomplexes ausmacht, innen umbauen und zu einem Einkaufszentrum machen. In den Keller soll ein Supermarkt für die S-Bahn-Pendler ziehen, ins Erdgeschoss eine vergrößerte Buchhandlung und andere Läden. An der Fassade soll es rundum Geschäfte geben. Im ersten und zweiten Stock werde ein großer Fachmarkt einziehen und im dritten Reha-Einrichtungen, Ärzte, Büros. Schon heute gebe es im Gebiet der Großen Bergstraße 160 Ärzte und damit die „größte Ärztedichte in ganz Norddeutschland“, wie Martin Mörl von B&L sagte.

Mörls Plan setzt darauf, dass der Altonaer Bahnhof mit 100.000 Passanten am Tag einer der geschäftigsten in Deutschland ist. Um noch mehr Menschen anzulocken, will B&L Richtung Ottensen ein Parkhaus mit 480 Plätzen anbauen. Im Erdgeschoss soll dieses 150 Fahrradstellplätze bieten. Autofahrer sollen über das gleisseitige Bahnhofsvordach oder die Zufahrt des Mercado-Parkhauses ins neue Parkhaus gelangen.

Sollte dieser Plan im Sommer 2005 Wirklichkeit sein, will B&L auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof ein neunstöckiges Bürogebäude mit Läden errichten. Bezirksamtsleiter Hinnerk Fock (FDP) hofft, dass dann mehr konsumierende Menschen vom Bahnhof den Sprung über die Max-Brauer-Allee in die Neue Große Bergstraße wagen werden. „Ohne den Bahnhof würde es nicht gelingen, zu einer Stärkung der Großen Bergstraße zu kommen“, vermutet Fock.

Die zentrale Einkaufsstraße leidet an den Bausünden der Vergangenheit, die im Rahmen einer laufenden Planungswerkstatt behoben werden sollen. Derweil zeichnet sich eine weitere Schwächung des Standorts ab: Die Saga hat angekündigt, ihre Hauptverwaltung nach Barmbek zu verlegen. Wie jetzt bekannt wurde, überlegt die Finanzbehörde, im Zuge einer Rationalisierung das Finanzamt Altona mit den Ämtern Elbufer und Schlump zusammenzulegen. Als neue Heimat für die rund 500 Bediensteten ist der Büroneubau des Investors Greve in Lokstedt im Gespräch.

Die SPD will auf jeden Fall vermeiden, dass alle Finanzämter aus Altona wegverlegt werden. Dieser Plan sei am Bezirk ebenso vorbeigegangen wie das Aus für ein Schifffahrtsmuseum an der Rainville-Terrasse. Die Entscheidungen für einen Bus im Schellfischtunnel, den Autobahndeckel oder die Verkehrsführung am Blankeneser Bahnhof lägen auf der langen Bank.