Nordrhein-Westfalens Polizisten brauchen Auslaufschutz

30.000 Polizei-Schutzwesten leiden unter dem Schweiß ihrer Träger. Innenministerium verhandelt über „Lösung des Problems“. Klage kein Thema

„Die Westen bieten ausreichenden Schutz“, sagt NRW-Innenminister Behrens

DÜSSELDORF taz ■ Das NRW-Innenministerium gibt dem amerikanischen Schutzwesten-Hersteller „Second Chance Body Armor Inc.“ eine zweite Chance. Nachdem bei rund 30.000 Schutzwesten der NRW-Polizei „Leistungsverluste“ festgestellt wurden, verhandelt die Landesregierung mit der US-Firma jetzt über Nachbesserungen. „Die Gespräche verlaufen bislang konstruktiv“, sagt Ludger Harmeier, Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Eine Klage gegen das Unternehmen aus Central Lake (Michigan) sei derzeit kein Thema, so Harmeier.

Die Firma „Second Chance“ – nach eigenen Angaben Weltmarktführer in der Produktpalette ballistischer Schutzwesten – hatte vor drei Jahren allein 30.000 Westen an die NRW-Polizei verkauft. Das größte Bundesland zahlte damals rund 60 Millionen Mark für die Schutzkleidung – weitere Länder wie Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein orderten ebenfalls das Hightech-Gewand mit dem Namen „Ultima SK 1“. Insgesamt wurden 80.000 Stoff-Leibchen „mit hohem Tragekomfort“ nach Deutschland geliefert. Eine deutsche Firma habe damals kein vergleichbar gutes und bequemes Produkt angeboten, begründeten die Innenbehörden den Vertragsabschluss mit dem US-Anbieter.

Doch die Westen haben offenbar Mängel. Es besteht der Verdacht, der verwendete Stoff könne mit der Zeit durch den Körperschweiß ihrer Träger an Festigkeit verlieren. Bereits im vergangenen Herbst warnte „Second Chance“ auf seiner Internetseite vor Produktfehlern. Beim Tragen des – allerdings nicht baugleichen – US-Modells der Weste sollen Polizisten aus Kalifornien und Texas schwer verletzt worden sein, weil die verschwitzte Weste keinen Schutz vor Waffenbeschuss mehr gewährleistete. In mehreren US-Bundesstaaten laufen deshalb bereits Klagen gegen den Marktführer aus Michigan.

„Second Chance“ verwendet für das Modell „Ultima“ Zylon-Faser des japanischen Herstellers Toyobo. Das Grundmaterial soll Schweiß in Form von Dampf entweichen lassen, damit die Polizeibeamten, die die Unterziehweste tragen, selbst bei hochsommerlichen Temperaturen nicht ins Schwitzen geraten.

Obwohl in Nordrhein-Westfalen bislang keine Unglücksfälle mit dem Importprodukt bekannt sind, ist die Weste jetzt dennoch bei einer regelmäßigen Qualitätskontrolle durchgefallen. Bei einem Test wurde demnach erstmals festgestellt, dass „die Westen inzwischen einen – geringen – Leistungsverlust aufweisen“, heißt es aus dem Düsseldorfer Innenministerium. Dieser bewirke, dass „einzelne Westen“ nicht mehr den hohen Qualitätsanforderungen entsprechen. „Sie bieten jedoch trotzdem ausreichenden Schutz“, beteuert NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD). Im Ernstfall kommen laut Ministerium außerdem Überziehwesten zum Einsatz.

„Nach unserer Einschätzung und unseren Erfahrungen mit dem Leistungsverlauf der Zylonfaser besteht derzeit keinerlei Risiko für die deutsche Polizei. Die Westen erfüllen ihre Funktion in der Praxis beanstandungsfrei“, sagt Armin Wagner, Sprecher der Geschäftsführung von „Second Chance“ in Deutschland. Nach Angaben des Managers seien auch die Richtlinien für die Beschusstests in Deutschland wesentlich strenger als in den USA. Das schaffe ein „zusätzliches Sicherheitspolster“.

Das nordrhein-westfälische Innenministerium schweigt unterdessen über den Stand der Verhandlungen mit „Second Chance“. Man sei dabei, „das Problem schnell zu lösen“, sagt Ministeriums-Sprecher Harmeier.

MARTIN TEIGELER