Rüstungsindustrie unter Kontrolle

Bundesregierung beansprucht ein gesetzliches Vetorecht, wenn deutsche Rüstungsfirmen ins Ausland verkauft werden.Angst vor US-Dominanz, Plädoyer für deutsch-französische Kooperation. Industrieverband kritisiert Eingriff in die Wirtschaft

aus Berlin MARIUS ZIPPE

Selbstverständlich gibt sich der Bundeskanzler beim jüngsten Übernahmepoker in der Rüstungsindustrie gelassen: Es sei allein Sache der Unternehmen, an wen die Kieler Rüstungswerft HDW verkauft werde. Selbstverständlich stimmt kein Wort.

So egal ist es der Politik nämlich nicht, wohin das Know-how des international führenden Anbieters für konventionelle U-Boote wandert. Dass sich Schröder dazu überhaupt äußert, sagt schon viel. Nach Aussagen eines Sprechers im Kanzleramt dürfte das Thema „HDW“ heute beim Treffen mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac in Berlin eine Rolle spielen, denn französische Konzerne bieten mit.

Hinter den Kulissen herrscht seit Wochen Aufregung. Amerikanische Geldgeber gehen in Deutschland auf Shopping-Tour, um Rüstungsbetriebe zu kaufen. Erst vor wenigen Tagen erneuerte der amerikanische Finanzkonzern Carlyle seine Offerten an den deutschen Triebwerksbauer und Daimler-Tochter MTU. Auch die Traditions-Panzerschmiede Krauss-Maffei wird angeblich von Übersee aus umworben.

Bereits im September des vergangenen Jahres schluckte die amerikanische Investgesellschaft One Equitiy Partners (OEP) die Kieler HDW. Die High-Tech-Werft gilt als Juwel, weil sie U-Boote mit Brennstoffzellen-Motoren ausrüstet und diese besonders lange tauchen können. An der Politik ging der OEP-Deal damals ungestört vorbei. Doch nach dem großen Irak-Krach zwischen den USA und Deutschland scheinen Rüstungsgeschäfte ein heikles Thema zu sein.

Um das Geschäft nun wieder rückgängig zu machen, bietet sich derzeit eine gute Gelegenheit. Nach gescheitertem Weiterverkauf will OEP die HDW wieder loswerden. Sowohl der Bundeskanzler als auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) haben sich dafür ausgesprochen, dass die Werft wieder deutsche oder europäische Besitzer findet.

Bei bloßen Worten ist es nicht geblieben. Zusätzlich aufgeschreckt von den Verkaufsplänen für MTU im August, kündigte die Bundesregierung die Reform des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) an. Mit dem Gesetz kann sie die Ausfuhren von Rüstungsgütern verbieten.

Gegen weitere Firmen-Verkäufe will sich die Bundesregierung nun per Gesetz ein Einspruchsrecht verschaffen. Es soll gelten, wenn Ausländer mehr als 25-prozentige Anteile an Rüstungsbetrieben kaufen wollen. Die Gesetzesnovelle könne frühestens im Januar wirksam werden, sagte ein Sprecher im Wirtschaftsministerium der taz. Die Neuerung müsse noch mit anderen Ministerien abgestimmt werden.

Für heftigen Protest sorgte der Vorstoß bereits in der Wirtschaft. Der Präsident des Bundesverbandes (BDI) der deutschen Wirtschaft, Michael Rogowski, wetterte gegen die neuen staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft. Thyssen-Sprecher Alfred Wewers räumt dagegen ein, dass bei bestimmten Rüstungsgeschäften der Staat Einfluss auf die Entscheidungen behalten sollte.

Offenbar richtet sich das neue Gesetz vor allem gegen die Dominanz amerikanischer Rüstungsbetriebe. Bei dem Treffen mit Jacques Chirac Anfang September in Dresden hatte sich Gerhard Schröder im Fall von HDW für eine deutsch-französische Übernahme ausgesprochen. Auf französischer Seite gelten der Thales-Konzern und die Werft DCN als Interessenten, auf deutscher Seite ThyssenKrupp. Dahinter steckt die Idee eines neuen europäischen Werftenverbundes – ähnlich dem europäischen Luft- und Raumfahrtgiganten EADS.