Stolpe müht sich „redlich“, aber erfolglos

Aufbau-Ost-Minister legt bescheidene Bilanz vor. Dafür will er den Gemeinden mehr helfen als Finanzminister Eichel

BERLIN taz ■ Manfred Stolpe (SPD) hat etwas übrig für den burschikosen Zugang zur Politik: Die Gemeindefinanzreform müsse „natürlich auch bisschen was bringen“. Also forderte der Bundesverkehrs- und Aufbau-Ost-Minister gestern in Berlin, dass die Kommunen zusätzliche Steuermittel „ganz dicht an einem zweistelligen Milliardenbetrag“ erhalten sollen. Damit hat sich Stolpe markant von Finanzminister Hans Eichel und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide ebenfalls SPD) abgesetzt, die den Kommunen maximal 5 zusätzliche Milliarden pro Jahr gewähren wollen.

Stolpe hatte dem Kabinett gestern den jährlichen Zwischenbericht zum Aufbau Ost vorgelegt, den er „redlich“ nannte. Allzu viel Optimismus wollte er nicht verbreiten: Man müsse den „Traum von der schnellen Angleichung endgültig beerdigen“.

So werden im Osten nur 62,7 Prozent der westdeutschen Wirtschaftsleistung erbracht, dies sind sogar 0,2 Prozentpunkte weniger als im letzten Jahr. Stolpe nannte den Aufbau Ost „eine mühsame Geschichte“. Allerdings legte er Wert auf die „zunehmende Differenzierung“. Auch im Osten existierten Wachstumsregionen wie etwa Dresden, Leipzig, Potsdam, Rostock, Jena und „ein bisschen auch Halle“. Das verarbeitende Gewerbe sei sogar stärker gewachsen als im Westen – um 5 Prozent. Trotzdem gab es „keinen Aufwuchs an Arbeitsplätzen“. Moderne Technik machte den Menschen entbehrlich.

Stolpe musste daher eine unverändert „dramatische Massenarbeitslosigkeit“ im Osten von 18,2 Prozent konstatieren: Aktive Arbeitsmarktpolitik sei dort unverzichtbar. Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit wurden seit der Wiedervereinigung 138 Milliarden Euro für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulung und Weiterbildung in den neuen Bundesländern ausgegeben. Momentan profitiert der Osten verstärkt von den Sonderprogrammen für 100.000 Langzeitarbeitslose und 100.000 Jugendliche.

Stolpe freute sich gestern über die „deutliche Unterstützung im Kabinett“, die pauschalen Investitionszulagen fortzuführen. Dieser Zuschuss von momentan 25 Prozent sei „der wichtigste Standortvorteil“. Bisher sind diese Beihilfen bis zum Dezember 2004 befristet. Sie sorgen in einigen alten Bundesländern für massive Verärgerung. So fürchtet der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) einen „Abbau West“: Wenn andere Beihilfen – etwa der EU – abgeschafft werden, könnten Handwerksbetriebe über die Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt ziehen, so Hirche, nur um dort die Investitionszuschüsse zu kassieren. ULRIKE HERRMANN

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