Kohl verliert Prozess

Birthler-Behörde darf Stasiakten auch über den Exkanzler herausgeben, urteilte das Berliner Verwaltungsgericht. Revision zulässig

BERLIN taz ■ Die Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Marianne Birthler, hat im Aktenstreit mit Helmut Kohl einen vorläufigen Sieg errungen. Das Berliner Verwaltungsgericht gab gestern ihrer Klage statt und hob das Veröffentlichungsverbot für die Unterlagen über den CDU-Politiker auf. Die vor einem Jahr in Kraft getretene Novelle des Stasiunterlagengesetzes legitimiere die Verwendung des Materials zu Forschungszwecken.

Damit setzte sich die Auffassung der Birthler-Behörde durch, wonach das gerichtliche Herausgabeverbot aus dem Jahr 2001 keinen Bestand mehr habe, nachdem das Stasiunterlagengesetz geändert wurde. Vor dessen Novellierung hatte dasselbe Berliner Verwaltungsgericht Kohl Recht gegeben. „Wir sehen uns darin bestätigt, dass Akten nach dem novellierten Stasiunterlagengesetz herausgegeben werden müssen“, sagte gestern der Direktor der Birthler-Behörde, Hans Altendorf, nachdem das Urteil verkündet worden war. Allerdings werde die Behörde die Kohl-Akten solange nicht freigeben, so lange kein rechtskräftiges Urteil vorliege. Man sei aber auf eine Herausgabe vorbereitet.

Diese allerdings wird es so schnell nicht geben. Denn die Kohl-Anwälte kündigten an, das Berliner Urteil durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen. „Wir werden gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen“, sagte Stephan J. Holthoff-Pförtner. Er sei von der Begründung des Gerichts nicht überzeugt.

Kohls Anwälte hatten das Stasiunterlagengesetz vor Gericht als verfassungswidrig bezeichnet. „Niemals darf eine Behörde allein darüber entscheiden, ob sie Unterlagen über Betroffene herausgibt“, lautete einer ihrer Gründe. Das Gesetz verletze jenes Grundrecht, nach dem ein Betroffener selbst bestimmen dürfe, welche Informationen über ihn veröffentlicht werden.

Seit knapp drei Jahren streiten sich Kohl und die Bundesbeauftragte über die personenbezogenen Stasiakten des Kanzlers a. D. Zuletzt hatte 2002 das höchste deutsche Verwaltungsgericht der Birthler-Behörde untersagt, die Akten herauszugeben. Nach dem Urteil hatte die rot-grüne Koalition das Stasiunterlagengesetz geändert. MATTHIAS BRAUN