Unrat sorgt für Unmut

Die Stadtwerke Neumünster planen für 2005, eine Müllverbrennungsanlage inmitten der City zu errichten. Proteste der örtlichen Bürgerinitiative sind bislang verpufft. Eine einzelne Gegnerin hat jetzt noch Klage eingereicht

Die Initiative warnt: Neumünster wird zum Ziel von Mülltourismus

aus NeumünsterLASSE HINRICHS

Der Protest gegen die in Neumünster geplante Müllverbrennungsanlage, die sich offiziell Thermische-Ersatzstoff-Verwertungsanlage (TEV) nennt, stößt auf taube Ohren. Die örtliche Bürgerinitiative gegen Müllverbrennung sieht kaum noch Möglichkeiten, das für 2005 inmitten der City auf dem Gelände der Stadtwerke (SWN) geplante Werk für Fernwärme zu verhindern. Ende Oktober sollen die vorbereitenden Maßnahmen für den Bau beginnen. Die BI indes spricht von einem „ökologischen und politischen Skandal ersten Ranges“.

So sei zum einen völlig unklar, welche tatsächlichen Auswirkungen die TEV auf die Umwelt habe, sagte BI-Mitglied Wolfgang Rocke zur taz. Da die Anlage in der Hauptsache „konzentrierten Plastikmüll“ verbrennen würde – dereinst angeliefert von der ebenfalls geplanten Aufbereitungsanlage in Wittorfer Feld –, sei ein hoher Ausstoß an Dioxinen, Furanen und Schwermetallen zu befürchten. Die SWN, an denen der Atomstromgigant E.ON eine Beteiligung von 24,9 Prozent hält, ist sich keines Versäumnisses bewusst. „Wir halten ganz klar die neueste Bundesimmissionsschutzverordnung ein“, erklärte SWN-Sprecherin Manuela Schütze. Bei bestimmten Grenzwerten läge man sogar bis zu 50 Prozent darunter, man habe bereits Konzessionen gemacht. Das Umweltministerium in Kiel stützt die Argumentation der SWN. Die Erfahrung mit anderen Müllverbrennungsanlagen habe gezeigt, das mit keiner übermäßigen Umwelt- und Lärmbelastung zu rechnen sei, erklärte Sprecherin Claudia Viße.

Während die BI bei der Frage zur Qualität Verhandlungserfolge verbuchen konnte, Klärschlamm und Tiermehl würden nicht verbrannt, bleibt noch Zankapfel zwei: die Quantität. Mit einer Kapazität von 150.000 Tonnen ist die TEV nach Meinung der Gegner schlicht überdimensioniert. Ein „riesiger Mülltourismus“, warnt die BI, werde auf Neumünster zukommen. Die jährlich 25.000 Tonnen eigenen Mülls würden die Anlage gerade einmal zu 17 Prozent auslasten. Damit sich das TEV-„Ungetüm“ aber rechne, müsse der Unrat aus den Kreisen Nordfriesland, Rendsburg-Eckernförde, Plön und der Stadt Flensburg aufgenommen werden. Auch dieser Einwand sei einfach „nicht nachvollziehbar“, sagte Schütze und verwies auf höhere Zwänge, auf die neue bundesweite Müllverordnung, wonach ab 2005 nichts Übelriechendes mehr auf der Deponie landen darf, ohne vorher durch den Schlot gejagt oder mechanisch-biologisch behandelt worden zu sein. Wie und wo das funktioniert, das sei den Kommunen überlassen, erklärte Claudia Viße: „Das schreibt das Land nicht vor.“ Die Kreise und kreisfreien Städte handelten da „in eigener Verantwortung“. Kooperationsvereinbarungen wie in Neumünster aber seien nichts Ungewöhnliches.

Dass sich die Stadt darauf einstellt, daran wird wohl auch die stärkste Waffe der BI nichts ändern. Ein im Januar angestrengtes Bürgerbegehren zeigte bisher keine Wirkung. 7.700 Unterschriften stark wurde das Papier im April an die Stadt übergeben – und im Juni vom schleswig-holsteinischen Innenministerium abgeschmettert. Begründung: Die Fragestellung sei unzulässig. Die Abgabefrist sei nicht eingehalten worden. Überhaupt sei zweifelhaft, ob bei der TEV eine „wichtige Selbstverwaltungsaufgabe“ vorliegt. Mittlerweile hat eine einzelne TEV-Gegnerin vor dem Verwaltungsgericht Schleswig Klage gegen die Ablehnung eingereicht. Alle vom Ministerium genannten Kritikpunkte seien nicht stichhaltig. Das Innenministerium zeigt sich unbeeindruckt. „Hätten wir rechtliche Zweifel gehabt, hätten wir das Bürgerbegehren nicht abgelehnt“, erklärte Kommunalrechtsexperte Nils Lindemann und wartet optimistisch den Prozess ab. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht. Und selbst die Protestbewegung mag an einen Erfolg nicht mehr so richtig glauben. „Die Chancen sind minimal“, ist sich Rocke sicher, denn die BI sieht sich weitestgehend allein auf weiter Flur. „Gegen SWN, Ratsversammlung, SPD, CDU und Grüne kämpfen wir leider einen ziemlich aussichtslosen Kampf.“

Sollte die TEV gebaut werden, retten sich die Gegner derweil in Sarkasmus. Und taufen Neumünster schon einmal um. Wahlweise in „Müllmünster“ respektive „E.ON-City“.