Körperteile auf dem Tisch

Helmut Stauss inszeniert zur Spielzeiteröffnung an den Kammerspielen„Das Blut“ mit viel Situationskomik

„Aus den harmlosesten Menschen werden manchmal Bestien“, kommt es der Frau über die Lippen. Da weiß sie längst, dass sie aus dem Verließ nicht mehr lebend rauskommen wird. Mit dem Entführungsdrama Das Blut des spanischen Autors Sergi Belbel in der Regie von Helmut Stauss legte die neue Leitung mit Axel Schneider und Dietrich Wersich einen engagierten Start zur Spielzeiteröffnung an den Kammerspielen hin. Das umtriebige Duo, das am Altonaer Theater erfolgreich arbeitet und in dieser Spielzeit gleich noch das Harburger Theater übernommen hat, setzte in der Eröffnungspremiere auf vorsichtige Kontinuität zu den Vorgängern. Ein starkes Stück eines profilierten Gegenwartsautors, schnörkellose Regieführung, ein karges Bühnenbild von Stephan Mannteuffel und eine stark aufspielende Darstellerriege mit Andrea Lüdke (Großstadtrevier) als Zugpferd.

Jenny Gröllmann verleiht der entführten Philosophieprofessorin und Politikergattin grandiose Würde. Immer hat sie ihren Sartre parat: „Das Scheißen und das Lachen, das Sein und das Nichts“, wirft sie ihrem starren Bewacher, Oscar Ortega Sánchez, an den Kopf. Das Stück nennt keine Ursachen für den Verlust der Mitmenschlichkeit, es führt die Obszönität der gesellschaftlichen Folgen vor. Die Motive des Entführers und seiner abgebrühten Frau bleiben im Dunkeln. Lösegeld ist Nebensache. Minutiös zieht das Duo seinen Plan durch, sägt dem Opfer nacheinander einen Finger, ein Ohr, einen Fuß und schließlich den Kopf ab. Die Metzeleien überlässt Regisseur Helmut Stauss der Phantasie des Zuschauers. Multimediavisionen blenden geschickt in das normale Leben über. Da bekommen ein Liebespaar, ein skurriles Polizistenduo und die Geliebte des Politikers die Körperteile auf den Tisch. Ohne die daraus erwachsende absurde Situationskomik hätte man diesen Abend wohl nicht überstanden.

Caroline Mansfeld

weitere Vorstellungen: morgen + 24.–27.9., 20 Uhr, Kammerspiele