beim zeus
: Das Ringen der Geschlechter

FRANK KETTERER über seltsam verknotete und verbogene Frauen sowie den Mann mit Startverbot, weil der eben keine Frau ist

Besuch beim Ringen, dem der Frauen. Es geht heiß her da unten auf den Matten, und manchmal beschleicht einen der dunkle Gedanke, kein Mensch könne jemals wieder entknoten, was die Ringerinnen mit ihren Körpern so alles machen. Wie sie sich winden und ziehen und ineinander verheddern; und am Ende doch immer wieder aufstehen und getrennt ihrer Wege ziehen. Spektakuläre Fotos gibt es davon, viel spektakulärere als von ringenden Männern. Und Brigitte Wagner aus Freising, 20 Jahre alt, und hier in der Klasse bis 48 Kilo Sechste geworden, weiß auch warum: „Wenn bei Männern schon was reißt, können wir uns immer noch verbiegen.“

Man muss dazu vielleicht sagen, dass das Frauenringen erstmals olympisch ist hier in Athen. Und natürlich gab und gibt es Vorbehalte gegen die knotenden Frauen. Das ist eigentlich immer so, wenn das weibliche Geschlecht in eine Domäne einbricht, für die sich bis dato ausschließlich Männern zuständig fühlten. Brigitte Wagner, die vor zwei Jahren Weltmeisterin war, kann jedenfalls ein Lied davon singen – und irgendwann, spätestens im Refrain, kommt garantiert das Wort Schlammcatchen vor. Wagner regt sich darüber richtig auf, aber es hilft nichts, genauso wenig wie es hilft, zu Stefan Raab ins Fernsehen zu gehen und den zu verknoten, so wie Wagner und ihre deutschen Olympiakolleginnen Anita Schätzle und Stephanie Groß das getan haben. Schlammcatchen bleibt, jedenfalls in Deutschland. Und deshalb kann Wagner nur von anderen Ländern schwärmen, von Japan zum Beispiel. In Japan waren sie schon Ringer-Weltmeisterinnen, da wusste der deutsche Ringerverband noch gar nicht, dass es Frauenringen als ordentlichen Wettkampf überhaupt gibt, geschweige denn, dass er es unterstützt hätte. Heute wird Frauenringen in Japan an Schulen und Universitäten gefördert, es werden große Trainingszentren gebaut, im Fernsehen gibt es einen Kanal, der nur Frauenringen überträgt, und wenn die japanische Mannschaft bei der Eröffnungsfeier von Olympia einmarschiert, darf eine Ringerin die Fahne tragen.

Fest steht: Olympia ist eine große Chance für das Frauenringen, nicht nur in Deutschland. Und auch Wagner darf sich berechtigte Hoffnungen machen, dass ihr Sport schon bald nicht mehr mit Schlammcatchen in Verbindung gebracht wird, auch wenn sie dann wahrscheinlich nicht mehr aktiv sein wird. Es gibt durchaus ein paar Beispiele, wie relativ zügig sich eine Sportart emanzipieren kann. Fußball zum Beispiel. Wurde für Frauen erst 1996 in Atlanta mit olympischen Weihen versehen. Und auch hier tat sich der deutsche Verband keineswegs als Vorkämpfer einer neuen Bewegung hervor, ganz im Gegenteil: Bis 1972 war Frauenfußball im DFB nicht existent. Warum sollte er auch? Man hatte seine Helden, wozu bedurfte es da auch noch Heldinnen?

Nun soll keineswegs der Eindruck erweckt werden, nur Deutschland habe ein Problem mit Frauen im Sport. Das wäre nun der totale Blödsinn, schon wegen der muslimischen Länder, wo für sporttreibende Frauen oft schon die Kleidungsvorschriften ein unüberwindbares Problem darstellen. Im Prinzip ist es, historisch gesehen, ganz Olympia, das sich nicht eben freundlich zum immer stärker werdenden Geschlecht verhalten hat.

In der Antike war es Frauen, sofern verheiratet, schon verboten, den Spielen auch nur zuzuschauen. Wer es trotzdem tat, musste teuer Eintritt bezahlen – mit dem Leben nämlich; ans eigene Mitsporteln hätten die alten Griechinnen noch nicht einmal zu denken gewagt. Rund zwei Jahrtausende später erweckte Pierre de Coubertin nicht nur die olympische, sondern auch diese Idee wieder zu neuem Leben. Seine ersten Spiele der Neuzeit waren als „Feier des männlichen Athletentums“ konzipiert. Für Frauen hieß es 1896 hingegen erneut: Die müssen draußen bleiben. Zwar wurde dieses Verdikt schon vier Jahre später gebrochen, weil 22 Frauen hauptsächlich im Tennis und Golf und gegen Coubertins ausdrücklichen Willen zu Olympionikinnen wurden, aber noch 1958 wollte Avery Brundage, der damalige IOC-Präsident, diese wachsende Unsitte wieder rückgängig machen – und die Frauen aus dem Olymp vertreiben. Hier in Athen sind Frauen in allen Sportarten vertreten, nur boxen dürfen sie nicht, aber auch das wird kommen, garantiert.

Besuch beim Synchronschwimmen, dem der Frauen, welchem auch sonst. Es planscht mächtig im olympischen Becken. Man sieht Füßchen aus dem Wasser wedeln und kleine, niedliche Näschen mit schmucken Nasenklammern verziert auftauchen. Und es wird gelächelt im Pool. Fortwährend, andauernd, immerzu. Nur Bill May sieht man nicht. Er darf nicht lächeln und auch nicht mit den Füßchen wedeln, zumindest nicht bei Olympia. Schon bei den Spielen in Sydney haben die alten Herren vom IOC den jungen Burschen vors Becken gewiesen, vielleicht hatten die konservativen Säcke Angst, dass das Wasser zu warm wird, wenn May darin badet. Dabei kann der Bursche wirklich was. Mit seiner Partnerin Kristina Lum ist er US-Meister geworden. Aber auch Athen wollte ihn nicht, May musste erneut draußen bleiben, auch weil es seinem Verband an Mut mangelte, für ihn zu kämpfen – und damit für die gemischte Synchronität. Armer Billy-Boy! Vielleicht sollt er umschulen – und Boxer werden.