Emotionen statt Argumente

Mehr als 600 Teilnehmer versuchten sich bei der 6. Linken Medienakademie an der Vermittlung alternativer Politik

Hannah Schurian lässt sich mit ihren beiden Gesprächspartnern in einer Ecke nieder. Nach drei Stunden Vortrag sollen die ZuhörerInnen nun in Gruppen selbst ausprobieren, wovon Zack Exley, einer der führenden Köpfe der Wahlkampfkampagne von US-Präsident Barack Obama, berichtet hat: „Tell people your story“ – erzählt den Leuten eure Geschichte. Eine ungewohnte Herangehensweise für deutsche Linke, für die Argumente in der Regel mehr zählen als Emotionen. „Linke Gruppen beschäftigen sich viel zu wenig damit, wie man gut kommuniziert und wie man Leute für die Politik aktiviert, ohne sie zu bevormunden“, sagt die 22-Jährige. Die Studentin der Sozialwissenschaften mobilisiert an der Humboldt-Universität gegen Studiengebühren und den gewachsenen Druck im Bachelor- und Master-System.

Linke Politik und deren Vermittlung waren die zentralen Themen in den mehr als 120 Workshops, Vorträgen, Exkursionen und Debatten der 6. Linken Medienakademie (Lima) in Berlin, die gestern zu Ende ging. Mehr als 600 TeilnehmerInnnen lernten an vier Tagen, Layouts zu entwerfen, Redaktionskonferenzen zu leiten, Internetvideos zu drehen, Webseiten zu gestalten, aber auch wie sehr Gestik und Mimik den Erfolg einer Rede beeinflussen können. Linke Medien wie die taz stellten sich vor und zeigten auf, wie linke Kommunikation gelingen kann.

Während Hannah Schurian versucht, ihren beiden Zuhörern in drei Minuten zu erzählen, warum sie sich für Politik interessiert, lernt Heiko Niebur zwei Räume weiter die zehn wichtigsten Regeln fürs journalistische Schreiben. „Verwendet einfache Worte und keine abstrakten Begriffe, seid sparsam mit Adjektiven und gebraucht lieber starke Verben“, zählt der Dozent auf, „und weg mit dem Passiv.“ Heiko Niebur schreibt fleißig mit. Der 20-Jährige verbringt sein freiwilliges ökologisches Jahr in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesgeschäftsstelle der BUND-Jugend. „Mein Chef hat mir den Kurs vorgeschlagen, weil ich mich gerne darum drücke, Pressemeldungen zu schreiben“, erzählt er. Vier weitere Kurse will Niebur noch besuchen, am meisten freut er sich auf den Fotoshopkurs. „Layout macht mir am meisten Spaß“, sagt er.

Für Heiko Thierl, 36, dagegen sind die Kurse der Medienakademie zweitrangig. Gemeinsam mit einer Kollegin sucht er noch Redakteure für multicult 2.0, den Online-Nachfolger des kürzlich eingestellten RBB-Senders Radio Multikulti. „Mir geht es vor allem darum, Netzwerke zu knüpfen, ins Gespräch zu kommen“, sagt der Hörfunkjournalist. „Hier trifft man Leute, die sich für ähnliche Themen interessieren, und gemeinsam kommt man ins Machen.“

Im Vortragsraum von Zack Exley, dem Organisator der Obama-Kampagne, ist die Zeit für die Gruppenarbeit abgelaufen. Hannah Schurian ist ein bisschen ratlos. So recht ist ihr keine persönliche Geschichte eingefallen, mit der sie andere Menschen für ihre Sache begeistern könnte. Umsetzen will sie das Gelernte in Zukunft trotzdem: „Vielleicht braucht man nicht unbedingt eine persönliche Geschichte, aber man kann sich durchaus trauen, den Menschen zu erklären, warum man sich für bestimmte Themen einsetzt.“MARLENE HALSER