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die kleine wortkundeSchäferstündchen mit dem Eintänzer

Helg S. ist „just a gigolo“ …

Es ist wie im Märchen: Da ist diese reiche, aber einsame Prinzessin, die mit Mann und drei Kindern völlig zurückgezogen in ihrem Schloss lebt und niemanden so recht an sich heranlässt, bis er kommt: der Prinz, der sie wachküsst und ihr all die Liebe schenkt, auf die sie immer gewartet hat. Wenn der Prinz aber mehr will als nur ewige Liebe, dann nennt man ihn Gigolo und reanimiert damit ein lange schlummerndes Wort.

So war das bei Milliardärin Susanne Klatten, Deutschlands reichster und einsamster Frau, die verführt und erpresst wurde vom Schweizer Helg S., dem Gigolo des neuen Jahrtausends, dem der Stern einen Titel widmet mit nackten Po, nachweislich allerdings nicht dem von Helg S. selbst. Ihm, also dem Mann zum Hintern, wird ab heute der Prozess gemacht.

Er ist gut zu Pferde und verführt beim Walzertanzen – das hat der Gigolo mit dem Märchenprinzen gemeinsam. Eigentlich war der Gigolo einmal Husar, so erzählt es jedenfalls das bekannteste deutsche Gigololied „Schöner Gigolo, armer Gigolo“. Viele Monde hat er, also der Husar, gekämpft in Frankreich drüben, jetzt ist ihm nichts geblieben: „Wenn das Herz dir auch bricht, zeig ein lachendes Gesicht, man zahlt und du musst tanzen“.

Tanzen tut er, wie in den Zwanzigerjahren viele gestrandete Offiziere, mit allein ausgehenden Frauen in diversen Tanzlokalen. Dort bezirzt der Gigolo außer mit Tanztalent mit guten Manieren und, oh, ganz wichtig, Charme. Im Idealfall ist er dazu noch ein wenig melancholisch und einsam wie im Lied „Just a Gigolo“. Schließlich geht es Frauen nicht um Sex, sondern um, ja, das Gefühl. Das war es auch, was Helg S. für Susanne Klatten so unwiderstehlich gemacht hat. Sagt sie. Schließlich war Helg S. Offizier bei der Schweizer Armee. Da hat er das Gigolosein gelernt. Das Wort kommt vom französischen gigoter, was so viel heißt wie die Schenkel bewegen. Das ist nicht nur beim Tanzen hilfreich.

Sexuelle Dienste sind beim deutschen Gigolo aber nicht inbegriffen, anders ist es offenbar beim Schweizer, jedenfalls sicher beim englischen. Da bedeutet Gigolo nämlich stets männlicher Prostituierter, zu sehen im Film „American Gigolo“ mit Richard Gere, auch mit nacktem Po. Weniger schmierig klingende Wortalternativen sind Hochstapler oder Frauenversteher (neudeutsch „Womanizer“) mit finanziellen Interessen.

Die hatte in gewissem Umfang auch Helg S., der von Susanne Klatten erst sieben Millionen Euro zur Wiedergutmachung für ein totgefahrenes Mafiosokind haben wollte und dann 290 Millionen Euro für eine Stiftung, die dem Gigolo seinen bescheidenen Lebensunterhalt sichert. Das war der einsamen Prinzessin dann doch zu viel und sie zog sich zurück. Da zeigte Gigolo sein wahres Gesicht und ihr das Material, das er vom gemeinsamen Schäferstündchen aufnehmen ließ. 49 Millionen Euro wollte er dafür. Zu viel, fand Susanne Klatten. Sie zeigte ihn an, und jetzt steht der Gigolo wegen Betrugs und Erpressung vor Gericht.

Die Prinzessin aber ist immer noch einsam, immer noch verheiratet, aber immerhin auch immer noch reich. Und dass sie so dumm war, einem Gigolo zu glauben, das ist das eigentlich Märchenhafte an der Geschichte.

DANIELA ZINSER

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