philipp maußhardt über Klatsch
: Ein Fall für den Kommissar

Charity ist peinlich. Aber machen wir heute mal eine Ausnahme

Tu Gutes und rede darüber. Vor allem rede darüber. Quassel es aus, plapper munter daher und erzähl allen Freundinnen davon. Wie du geholfen hast und wie sich die armen Kinderlein in Afrika oder Indien gefreut haben, als sie deine Spende in Händen hielten. Diese großen Augen und diese Fröhlichkeit trotz des ganzen Elends, „und dabei sind Kinder doch so unschuldig“. Gründe ein Charity-Kaffeekränzchen und vergiss nicht, Frau Bankdirektor und die Tochter des Hotelmanagers und vielleicht die Ehegattin des Golfclubpräsidenten einzuladen. Der Erlös des Nachmittags geht an ein Kinderheim in Sri Lanka, meldet tags darauf dann die Lokalzeitung.

Die „Charity-Lady“ ist zwar in keinem Ausbildungsverzeichnis aufgeführt, wird aber hierzulande in den bunten Blättern gerne als Berufsbezeichnung für Damen angegeben, die ihre oder die Schatulle ihrer Ehemänner und Väter an einem Sommernachmittag im festlich geschmückten Garten ihrer Villa ein wenig aufsperren und ein paar Klunker unter die Armen werfen. Peinlichkeit hat keine DIN-Nummer, insofern fühlen sich manche schon unangenehm berührt, wo andere noch in die Kameras lächeln.

Wenn Barbara Becker beispielsweise einmal in drei Jahren ihre abgeschottete Luxusinsel in Miami verlässt und Kinder in Afrika umarmt, tut sie das aus einem inneren Bedürfnis heraus. Es ist natürlich leicht, sich darüber lustig zu machen, und doch schwer, weil man ja die, die letztlich davon profitieren, nicht auch noch in dem wenigen, was sie bekommen, gefährden möchte. Also, möchte man rufen, sammelt weiter, Saubande, elende!

Jetzt habe ich mich verrannt. Ich wollte doch eigentlich über ein Hilfsprojekt berichten, das dringend noch Spenden benötigt. Und für das, Gott sei Dank, auch zwei Prominente ihren Kopf hergeben. Wie die beiden „Tatort“-Kommissare Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt allerdings zu „Charity-Gentlemen“ wurden, ist aber auch gar nicht zu vergleichen mit dem Gutmenschentum der High-End-Society. Und würde man sagen, sie kamen dazu wie die Jungfrau zum Kinde, ist das angesichts der Kinderprostituierten auf den Philippinen, um die es hier geht, auch überhaupt kein guter Vergleich.

Bär und Behrendt (alias Fredy Schenk und Max Ballauf) drehten im Dezember 1997 auf den Philippinen die „Tatort“-Folge „Manila“. Der Krimi schilderte die Geschichte eines achtjährigen Mädchens, das nach Deutschland in ein Kinderbordell verkauft wird. Inspiriert war der Drehbuchautor dabei offenbar von einem aktuellen Fall: dem des deutschen Sextouristen Thomas Breuer, der im Januar 1996 auf den Philippinen die damals zehnjährige Pia quälte und missbrauchte. Später wurde er angezeigt und schließlich vom Jugendgericht in Iserlohn zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Als Bär und Behrendt in den Slums von Manila mit der Wirklichkeit konfrontiert wurden, entschlossen sie sich, den Verein Tatort e. V. zu gründen. Was ihr Verein bislang gesammelt hat, fließt in ein Kinderschutzzentrum auf den Philippinen, das der katholische Priester Shay Cullen, ein Ire, in der ehemaligen Bordell-Stadt Olongapo gegründet hat. Pia lebt dort bis heute. Shay Cullen ist in diesem Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert, wobei ihm der bereits zugesicherte Platz im Paradies wahrscheinlich wichtiger ist. In der Hölle schmoren wird dagegen der deutsche „Geschäftsmann“ Harry Jost, der heimliche König der Sexindustrie von Olangapo. Wieder ein Fall für den Kommissar. Aber den echten.

Pia ist inzwischen 19 Jahre alt, und am heutigen Freitag landet sie mit dem Flugzeug in Frankfurt. Die Hilfsorgansiation Missio hat sie eingeladen, um zum Weltkindertag über Kindermissbrauch und Sextourismus aus Deutschland zu berichten. Kommenden Dienstag wird sie bei Johannes B. Kerner in der Sendung sitzen. Bevor sie furchtbar aufgeregt von den Philippinen abflog, hat sie auf einem kleinen Fest ihres Kinderzentrums noch eine kurze Rede gehalten, in der ich nur das Wörtchen „Tatort“ verstanden habe. In der nachgereichten Übersetzung stand dann, dass sie allen dankt, die ihr geholfen haben. Pia ist stark, und sie will Anwältin aller zur Prostitution gezwungenen Kinder in der Welt werden.

Ihren Kommissar wird Pia leider nicht treffen. Klaus Behrendt wollte sie eigentlich in Manila abholen und nach Deutschland begleiten, doch jetzt steht er gerade in Breslau als Widerstandskämpfer Stauffenberg vor der Kamera. „Ich will keinen Heiligenschein“, sagt Behrendt, „ich will nur Geld für dieses Projekt.“ So ehrlich kann nur ein Kommissar sprechen, und somit stimmt der Anfang der Geschichte dann auch wieder.

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