GEORGE BUSH GIBT ZU, DASS SADDAM MIT DEM 11. 9. NICHTS ZU TUN HATTE
: Der kurze Augenblick der Wahrheit

Das ist doch mal ein Anfang. George W. Bush hat vor Journalisten einen klaren Satz gesagt: „Nein, wir hatten keine Beweise, dass Saddam Hussein mit dem 11. September etwas zu tun hatte.“ Bush stellt sich gegen sein Volk: Immerhin glauben inzwischen nach jüngsten Umfragen 70 Prozent der US-AmerikanerInnen, dass der Befehl zum Angriff auf World Trade Center und Pentagon in Bagdad gegeben worden sei. Und er widerspricht seinem eigenen Vize. Noch Anfang der Woche hatte Richard Cheney auf die Frage nach einer solchen Verbindung gesagt, man wisse das nicht.

Für die Bush-Regierung ist das optimal: Sie nährt durch vage Äußerungen und Suggestionen das dumpfe Gefühl der Menschen, irgendwie sei der Irak eben doch schuld am Angriff auf die USA, kann sich aber selbst herausreden, das so deutlich nie gesagt und jetzt sogar öffentlich widersprochen zu haben. Bleibt die Frage, wann die Öffentlichkeit mehr auf ihren Präsidenten hört – in den vielen Monaten der Irreführung oder jetzt in seinem kurzen lichten Moment vor Journalisten.

Nichts spricht dafür, dass Bushs Äußerung den Beginn einer neuen Kette ausgesprochener Wahrheiten eröffnet. Das wäre doch zu schön. Man stelle sich das vor: Nein, wir haben keine Beweise, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besaß. Ja, was Außenminister Colin Powell vor dem Weltsicherheitsrat vorgeführt hat, war Bullshit. Ja, wir wollten den Irakkrieg, und die ABC-Waffen waren nur ein Vorwand. Ja, wir haben wider besseres Wissen behauptet, die Iraker würden uns als Befreier begrüßen. Nein, wir waren auf die Nachkriegssituation nicht vorbereitet. Ja, wir haben den 11. September dazu benutzt, lang vorbereitete außenpolitische Pläne in die Realität umzusetzen. Und: Ja, wir würden es wieder tun.

Bush verhält sich wie überführte Stasi-IMs: Er gibt höchstens zu, was nicht mehr zu leugnen ist, und auch das nur, wenn das Beibehalten der Lüge für ihn zum Problem werden könnte. Er braucht Unterstützung für die Fortführung der Irakbesatzung und will mit möglichst wenig Hypotheken in den Wahlkampf gehen, zumal wenn ihm da womöglich ein hoch dekorierter Militär wie Wesley Clark das Amt streitig macht. Gleichzeitig kann und will Bush nicht das gesamte Lügengebäude gleichzeitig zum Einsturz bringen, denn er selbst käme aus den Trümmern nicht mehr heraus. So gesteht er ein bisschen was, um mit dieser neuen Authentizität ausgestattet gleich weiter von den – ebenso unbewiesenen – grundsätzlichen Kontakten Saddam Husseins zu al-Qaida zu berichten. Plump, das. BERND PICKERT