berliner szenen Sekt und Kaffee

Eine Bar ohne Mitte

„Pop bis zum Erbrechen“ steht auf dem bunten Plakat an der Wand des Hauses, in dem eine Bar ist. Plötzlich ist Wolkenbruch, deshalb gilt es, sich eben in diese Bar zu retten, eine x-beliebige Bar in Berlins Mitte. Die Bar ist eine Bar für sehr spezialisierte Interessen. Es gibt ausschließlich Kaffee und Champagner, 0,1 l Laurent Perrier brut etwa kosten sechs Euro, 0,1 l Marie-Noelle Cedru brut kosten fünf Euro.

Die Bar ist sehr leer: Da ist das Mädchen, das hier ausschenkt, und da ist ihre Freundin, die ihr dabei zusieht. Sie unterhalten sich nicht groß, lächeln sich nur manchmal an. Weil es regnet, legt die Freundin für ihre Freundin „Nimm mich mit“, ein schönes, trauriges Lied der Band 2Raumwohnung, auf. Das Lied fängt so an: „Es regnet nicht nur in der Regenzeit, es schüttet aus Kübeln nur so runter. Wie stellst du dir das Wetter vor in Caracas, das Leben in den Tropen ist viel bunter.“

Niemand kommt in die Bar, keiner will seine Mittagspause mit Champagner und Kaffee verbringen. In der Ecke gibt es einen Sektkübel auf einem dunkelbraunen Mahagonitischchen. Darin verstauben Prospekte von französischen Champagnerherstellern – schöne Landschaftsansichten, schöne Weinberge. Auf dem Fenstersims daneben stehen vertrocknete Feldblumen und in der Ecke steht eine von den Taschen, in die man, wie es aussieht, Golfschläger tut. Der muss der Freundin gehören, die ihre Freundin in der Bar besucht. Aber wo ist hier der nächste Golfplatz? Wo ist das nächste Stück Grün, das nächste Stück Landschaft? Inzwischen singt Inga Humpe, die Sängerin von 2Raumwohnung, weiter im Text: „Nordpol, Südpol, Großstadt oder Strand – am Strand der ganze Sand, vielleicht lieber doch aufs Land. SUSANNE MESSMER